Zwei Wochen Horror in Schleswig-Holstein. Emmi Loewenstern, Teilnehmerin des Todesmarschs von 1945 durch Schleswig-Holstein verstarb in den USA

In einem umfassenden Großprojekt erforscht der Schleswig-Holsteinische Heimatbund die Geschichte der 1832 eröffneten Chaussee Altona-Kiel. 1945, kurz vor Kriegsende, war sie Route des „Todesmarsches“. 800 Häftlinge wurden vom KZ Fuhlsbüttel zum Fußmarsch ins Arbeitserziehungslager Nordmark bei Kiel gezwungen. Heinrich Kautzky erinnert an Emmi Loewenstern, die als Kind den viertägigen Marsch überlebte.

Die zwei Wochen, die Emmi Loewenstern in Schleswig-Holstein verbracht hat, gehören mit Sicherheit zu den dramatischsten ihres langen Lebens. Der Todesmarsch aus dem KZ-Hamburg-Fuhlsbüttel ins „Arbeitserziehungslager“ Nordmark in Kiel mit Hunger, Strapazen, Angst, Misshandlungen und Trauer um den Tod ihres Vaters einerseits und der Schritt in die Freiheit bei Überquerung der dänischen Grenze bei Padborg andererseits lagen nur wenige Tage auseinander.

Angefangen hat ihr Leben am 19.2.1925 als Kind einer eingesessenen Schlachter- und  Viehhändler-Familie in Emmerich, nahe der belgischen Grenze. Der Vater war Weltkriegsteilnehmer und Träger des Eisernen Kreuzes. Die deutsche Familie hatte aus Sicht der Nazi-Fanatiker und vieler Mitbürger, die meinten „gute Deutsche“ zu sein, eigentlich nur einen „Mangel“, der ihr weiteres Leben bestimmte: Die Familie gehörte der jüdischen Gemeinde an und musste wie Millionen Glaubensgenossen in turbulenten Zeiten als Hassobjekt herhalten. Wie schon so oft in der über 1000-jährigen Geschichte der Juden in Europa.

Emmi besuchte die jüdische Volksschule in Emmerich, welche 1934 aufgelöst wurde. Damit begann für das elfjährige Schulkind eine Odyssee durch immer andere Schulen. Inzwischen am örtlichen Lyzeum, wurde sie nach der Reichsprogromnacht vom weiteren Unterricht in Emmerich ausgeschlossen. Auch die Schulbesuche in Frankfurt und Dortmund waren wegen der Schließung auch dieser Schulen nur von kurzer Dauer. Ein halbwegs normales Kinderleben war damit endgültig zerstört.

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Heinrich Kautzky

Biografie-Arbeitsgruppe Todesmarsch 1945 und Projektleiter „Chaussee Altona-Kiel“, Schleswig-Holsteinischer Heimatbund