Der Mittelspecht

Intakte Mischwälder – besser noch Urwälder – darauf steht der seltene Mittelspecht. Beides hat die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein zu bieten. Anders als die übrigen Spechte Schleswig-Holsteins gehört der Mittelspecht nicht zu jenen seiner Zunft, die mit lautem Klopfen und Trommeln auf alten Bäumen auf sich aufmerksam machen.

Er – der Mittelspecht – gehört zu den Leisetretern. Er rennt Baum auf, Baum ab, stochert und pickt hastig nach Beute. Auf dem Speiseplan stehen vor allem Insekten, wie Ameisen, Blattläuse, Käfer. Und die gibt es nicht nur unter der Baumrinde. Die gibt es direkt auf der rauen Borke im Kronenbereich alter „Baumriesen“, vorzugsweise auf alten Eichen, aber auch auf Buchen, Eschen und brüchigen Erlen. Hauptsache alt, ziemlich alt! Optimaler Weise ab 80 Jahren aufwärts bei Eichen, bei Rotbuchen jenseits von 140 Jahren, gerne dürfen sie aber auch 200 bis 250 Jahre alt sein. Ein Alter, das im Wirtschaftswald kaum ein Baum erreicht.

Diese Methusalems sind nicht nur in Schleswig-Holstein zur Mangelware geworden. Wald wird heute in erster Linie als Wirtschaftsgut „Forst“ begriffen. Es/Er wird gepflanzt, um schnellst möglich geerntet zu werden. Ernten für Bauholz, Papier oder das knisternde Kaminfeuer. Altwerden ist nicht angesagt auf den Forstflächen. Kein Wunder, dass dem Mittelspecht mit dem Abholzen alter Einzelbäume und dem Verlust alter Wälder die Puste ausgeht. Ihm fehlt dieser Lebensraum.

Mit dem Engagement der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein soll das anders werden. Mehr Naturwald heißt das Credo der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und pflanzt schon heute den Lebensraum des Mittelspechts in 100 Jahren. Gleichzeitig nimmt sie bestehende Wälder aus der Nutzung, damit schon früher Mittelspechtlebensräume entstehen können. Und das übrigens nicht erst seit heute, die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein setzt schon seit langem auf den naturnahen Wald. Baut den Einheitsforst mit schnellwachsenden und oftmals nicht heimischen Nadelhölzern zu einem arten- und strukturreichen Wald mit heimischen, standorttypischen Gehölzen um.

Aktuell hat die Stiftung Naturschutz im Stiftungsland 4200 Hektar Naturwald in ihrem Portfolio. Bewirtschaftet wird der Stiftungswald nicht! Muss er auch nicht, weil er keinen Profit abwerfen muss. Seine „Leistung“: Er dient der Artenvielfalt, ist Rückzugsraum und speichert CO2 in den Bäumen sowie in der Humusschicht des Bodens. Hier dürfen Bäume altern – solange bis sie absterben. Egal, welches Stadium der Baum erreicht, er dient zahllosen Tieren und Pilzen als Lebensgrundlage.

Flaggschiff Mittelspecht

Das Flaggschiff unter den seltenen Arten in den Stiftungswäldern ist der Mittelspecht. Wo er sich wohl fühlt, hat er jede Menge Raritäten im Schlepptau. Eichenbock, Bart- und Bechsteinfledermaus, Eichen-Leberreischling (ein Pilz) und Altbaumflechten haben eins mit dem Mittelspecht gemeinsam: Sie stehen auf alte, lieber noch uralte Bäume und jede Menge Totholz. In so manchem Stiftungswald ist der Mittelspecht wieder heimisch. Zum Beispiel im Stodthagener Wald bei Kiel oder dem Rülauer Holz bei Schwarzenbek. Weitere wichtige Mittelspecht-Gebiete liegen im Lauenburgischen, dem Sachsenwald, den Staatsforsten Barlohe und dem Naturschutzgebiet Hahnheide bei Trittau.

Der Mittelspecht erreicht in Schleswig-Holstein inzwischen wieder einen Brutbestand von 2.000 Paaren. Tendenz steigend und immer weiter nach Norden vordingend – gegenüber dem Jahr 2000 verzeichnen die Ornithologen eine Bestandszunahme um 33 Prozent. Noch im 19. Jahrhundert war er in Dänemark und Südschweden, wenn auch nicht in großer Zahl, regelmäßig anzutreffen. Zwischen 1950 und 1980 verschwand er hier vollständig. In Schleswig-Holstein trat er auch nur noch spärlich auf. Ursache des Rückgangs: Die Umwandlung alter Laubwälder in Nadelforste und die räumliche Isolierung des kleinen Restbestandes. Heute macht dem Mittelspecht vor allem die gestiegene Nutzungsintensität der Wälder zu schaffen.

Spendenaktion

Um den Mittelspecht bei seiner Rückkehr unter die Flügel zu greifen, hat die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein die Spendenkampagne „Bitte blecht für den Specht!“ ins Leben gerufen. Mit der Hilfe von Spender*innen bewahrt sie alte Wälder vor der Motorsäge und sorgt für die Baum-Greise von morgen, wenn sie den Urwald für künftige Spechtgenerationen pflanzt. //

Thomas Voigt

Mehr Informationen zur Spendenaktion hier