Ich arbeite als Referentin für Diversitätsentwicklung. „Was genau machst du nochmal?“, fragt mein Vater stolz, aber auch stark verwirrt. Er weiß, dass es etwas Gutes und Tolles ist – und da ist Diversitätsentwicklung dabei, also ein Aufbau an Vielfalt. Das sagt ihm schon mal sicher, dass es mir gut liegen wird und bestimmt auch Spaß macht. Ich wiederhole nochmal den sperrigen Jobtitel. Er nickt und sagt: „Aha“. Ich weiß, dass er es immer noch nicht ganz verstanden hat.
Ich schaue mir vor allem Diskriminierung an. Und das, weil man sich – meiner Meinung nach – keine Diversität anschauen kann, ohne sich mit Diskriminierung zu beschäftigen. Es sind die zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Diskriminierung führt zu fehlender Diversität und fehlende Diversität ist ja der Grund, warum wir überhaupt erst darüber sprechen müssen.
Es geht also einfach gesagt um eine Sichtbarmachung von Diskriminierung. Ich betrachte diese Enttarnung als Grundbaustein für Diversität.
Da wird es dann oft schon schwieriger. Die meisten sind nämlich überzeugt, dass in ihren Häusern und bei ihren Veranstaltungen auf keinen Fall jemand diskriminiert wird. Alle sind eingeladen und alle sind willkommen. Und da haben wir auch schon das Problem. Diskriminierung ist nicht immer ein verinnerlichtes, beabsichtigtes „Falsch-Denken“ oder „Falsch-Handeln“, sondern oftmals auch historisch gewachsene exkludierende Umstände.
Kulturräume in Deutschland sind größtenteils „weiße Räume“ mit konkreten Dominanzverhältnissen. Wenn ich über Intendant:innen spreche, muss ich eigentlich nicht gendern, weil es wirklich zum Großteil einfach noch immer Männer sind. Weiße Männer. Außer vielleicht im Kinder- und Jugendtheater. Da sind es dann schon oft Frauen, aber auch das ist eine andere Diskussion.
Kultur wird zwar meistens als rassismusfreie Zone gedacht – besonders hier im „Land der Dichter und Denker“. Es reicht aber schon der Blick auf das deutsche Gegenwartstheater bzw. die Oper, um die Widersprüche in diesem Selbstbild zu sehen. Neben Black-, Brown- und Yellowfacing sowie der Verwendung eindeutig rassistischer Sprache, sind auch rassistische Stereotype wiederkehrend auf der Bühne zu finden.
Es geht nicht um die Repression der Privilegierten
Wenn ich über diese Ungleichheiten in der Kulturlandschaft Deutschlands spreche, spreche ich natürlich auch über Privilegien. Bei diesem Wort gehen – meiner Erfahrung nach – die meisten Schotten dann schon runter. Die Wenigsten von uns wollen sich eingestehen, dass sie Privilegien haben. Dabei sind Privilegien ja nicht nur unverdiente Vorteile, sondern teilweise auch hart erkämpfte Rechte, die wir heute genießen dürfen. Das Frauenwahlrecht oder die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften als Ehe vor dem Gesetz sind Diskriminierungen, die irgendwann aufgehoben wurden. Meine Antidiskriminierungsarbeit fordert diese Aufhebung von Diskriminierung für alle Menschen, in allen Räumen. Konkret aber in den Kulturräumen.
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Mirrianne Mahn