Julius Langbehn – von einem Deutschen

Muss man sich heutzutage noch mit Julius Langbehn beschäftigen? Er war ein Exzentriker mit kruden Theorien, ein miserabler Stilist, Eigenbrödler, Wirrkopf, gleichzeitig Bestsellerautor, Kind seiner Zeit und vor allem jemand, der als Vorläufer nationalsozialistischen Gedankengutes bezeichnet werden kann.

Wer war dieser Mann und was waren seine Ideen? Julius Langbehn wurde 1851 in Hadersleben geboren. Der Vater war Lehrer an der Gelehrtenschule, weigerte sich jedoch alsbald, Dänisch als Unterrichtssprache zu akzeptieren. Er wurde amtsenthoben, arbeitete fortan als Privatlehrer in Kiel und starb früh. Alles, was aus Langbehns Kindheit übermittelt ist, beruht auf seinen Berichten dem späteren Freund und Biographen Benedikt Momme Nissen gegenüber, einem nordfriesischen Künstler, Konvertiten und späterem Dominikanermönch in Graubünden.

Julius Langbehn besteht das Abitur und beginnt ein naturwissenschaftliches Studium in Kiel. Er ist mittellos, bei schwächlicher Gesundheit, aber zeigt im Studium durchaus Talent, sodass er wiederholt Förderer findet. Als Freiwilliger zieht er in den deutsch-französischen Krieg 1870/71 und geht nach Rückkehr nach München, um seine Studien dort fortzusetzen. Aber es ist nicht mehr die Naturwissenschaft, die ihn fesselt, sondern er wendet sich nun den Kulturwissenschaften zu.

Das Jahr 1873 wird für ihn zu einem Schicksalsjahr, nicht zuletzt durch eine schwere Erkrankung der Mutter ausgelöst. Langbehn begibt sich auf eine Reise nach Venedig und beschließt für sich, „ganz nach meiner Idee“ zu leben. Was er genau damit meint, beschreibt er in einem Brief an einen Münchner Kommilitonen, allerdings nicht sonderlich deutlich – er bleibt, wie auch später des Öfteren, im Vagen und Unklaren: „Es lebe die Freiheit! Untergang allen Pedanten, Narren und Halunken und Sieg der Wahrheit – in Ewigkeit, Amen! Da hast Du mein Glaubensbekenntnis.“

Langbehn entwickelt eine diffuse Mission, die den Philosophen Konrad Lotter zu dem Urteil bringt: „Er war ein aufgeblasener Typ, der sich wichtig gemacht hat“. Er widmet sich jetzt dem Studium der Archäologie und verfasst eine Dissertation über Flügelgestalten in der griechischen Kunst. Doch von einer Karriere in Forschung oder Lehre will Langbehn nichts wissen, einige Jahre später wird er die Promotionsurkunde zerreißen und an die Universität in München zurückschicken.

Überzeugt, zum Wegbereiter einer Reform des deutschen Geistes und der Kultur berufen zu sein, führt Langbehn nach dem Studium ein unstetes Reiseleben in ständiger finanzieller Bedürftigkeit und übersteigerter Selbstwahrnehmung und sucht sich mit der Aura des Geheimnisvollen zu umgeben. 1890 erscheint das Buch, das ihn für Jahrzehnte bekannt machen wird. Anonym veröffentlicht er sein Hauptwerk „Rembrandt als Erzieher“, das große Beachtung in Deutschland findet; in nur zwei Jahren erreicht das Buch 39 Auflagen. Das Buch ist als Zeitkritik verfasst, gegen ein wissenschaftliches und faktengesättigtes Weltbild setzt er kulturkritisch eine Art niederdeutschen Geist, den er perfekt im Maler Rembrandt verwirklicht sieht. Die Kunst soll der Weg sein zu Intuition und Ganzheitlichkeit gegen Demokratie und Moderne. Die wahre deutsche Kultur sei zerstört, findet Langbehn und propagiert eine „dritte Reformation“ und Führerkult.

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Martin Lätzel
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