Die „Fördergemeinschaft Ngelani Waisenkinder“ der evangelisch-lutheranischen Thomasgemeinde in Kiel-Mettenhof unterstützt seit 1977 Kinder und Jugendliche ohne Eltern und aus armen Familien im südkenianischen Ngelani. Sie ermöglicht mit finanziellen Mitteln jungen Menschen einen Zugang zu Bildung sowie Ausbildung und stärkt zudem das Lebensumfeld der Familien, die Waisenkinder aufnehmen.
Der südkenianische, weitläufige und ländlich geprägte Ort Ngelani liegt im halbtrocknen Gebiet der Kamba, einem ehemaligen Nomadenfolk, ca. 50 Kilometer Luftlinie östlich von Nairobi. Über 10.100 Kilometer sind Ngelani und Kiel-Mettenhof voneinander entfernt – trotz dieser Distanz stehen diese beiden Regionen dank der Fördergemeinschaft Ngelani Waisenkinder seit 1977 in partnerschaftlicher Verbindung und regem Austausch miteinander.
Der Förderverein unterstützt die Region Ngelani seit nun fast 50 Jahren bei der Beschulung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen und der Entwicklung des ländlichen Raumes. Anfangs hat das Projekt sich an Waisenkinder gerichtet, vor allem von Aids betroffene Waisenkinder, die bei ihren Großeltern untergekommen sind. Daher auch der Name “Fördergemeinschaft Ngelani Waisenkinder”. Der Name ist traditionell gleichgeblieben, auch wenn die Zielgruppe sich verändert, sich erweitert hat. Heute geht es allgemein um die Förderung von Familien, die nicht viel Geld haben – mit Fantasie, Geduld, Verständnis für eine andere Kultur und Lebensweisen und natürlich auch mit Geld. Hilfe zur Selbsthilfe bleibt dabei stets der Grundsatz.
Bildung in der Schule
Häufig ist der Schulbesuch in Kenia ein Privileg, das nicht allen Kindern zugänglich ist. Wer sich die Schule nicht leisten kann, dem wird der Zugang verwehrt – trotz Schulpflicht.
Zentral in der Zusammenarbeit zwischen der Thomasgemeinde in Kiel-Mettenhof und Ngelani ist die Unterstützung der Beschulung. Durch die Fördergemeinschaft werden Schulbeiträge und weitere Kosten wie etwa für Schulbücher oder -uniformen mitfinanziert und Familien müssen nur noch einen kleinen Eigenanteil übernehmen. So können 200-300 Schüler*innen bis zur 8. Klasse in ihrer formalen Bildung unterstützt werden. Außerdem trägt die Fördergemeinschaft die Unterbringungskosten für Kinder mit Behinderung an zwei Internatsschulen mit und trägt damit dazu bei, dass Bildung auch dieser Zielgruppe zugänglich gemacht wird, was in Kenia keine Selbstverständlichkeit ist. Zu der finanziellen Unterstützung von Bildung gehört dabei nicht nur das Bereitstellen der Schulgelder. Mit seinem ganzheitlichen Ansatz übernimmt der Förderverein auch Baukostenzuschüsse für Schulgebäude, die Beschaffung von Arbeitsmaterialien für den Unterricht oder Zuschüsse zu den Gehältern der Lehrkräfte. Wenn die Möglichkeit besteht, wird auch der Besuch der weiterführenden Schule oder das Studium finanziert. Alternativ wird auch der Bereich der handwerklichen Ausbildungen gefördert. In zweijährigen Ausbildungskursen können Jugendliche nach dem 8. Schuljahr einen staatlich anerkannten Abschluss machen. Ob als Maurer*in, Tischler*in, Metallverarbeiter*in, Elektriker*in, Schneider*in oder Friseur*in – auch die Möglichkeiten im handwerklichen Bereich sind vielfältig.
Bildung im Alltag für regionale Entwicklung
Bildung findet nicht nur in der Schule statt. Schätzungsweise geschehen 60-70 Prozent aller menschlichen Lernprozesse im Alltag, also am Arbeitsplatz, in der Familie und in der Freizeit. Diese non-formale oder informelle Bildung ist im Gegensatz zur Schulbildung an weniger starre Strukturen gebunden und bietet damit ein besonderes Potenzial zur Umsetzung von Bildung.
Auch diese Form des lebenslangen Lernens unterstützt die Fördergemeinschaft. Tagesseminare der Erwachsenenbildung informieren über verschiedene Themen wie Familienplanung, Vorbeugung gegen Aids, Ernährung, Landwirtschaft und Gesundheitsvorsorge. Familien erfahren finanzielle und fachkundige Unterstützung bei dem Aufstellen von Wassertanks zum Auffangen von Regenwasser. Dazu gehört unter anderem die Materialbeschaffung für die Eindeckung von Häusern mit Wellblech und Regenrinnen. Unterstützung erfahren sie ebenfalls bei neuen Wegen in der Landwirtschaft, bei der Beschaffung von Pflanzen, Fruchtbäumen und Nutztieren zur Verbesserung der Ernährungssituation der Familien und Erzielung von kleinen Einkünften durch den Verkauf von Früchten, Eiern und Milch. Auch Hilfe für alleinerziehende Mütter für ihre Selbstversorgung wird bereitgestellt. Die Fördergemeinschaft hat Land gekauft für ihre Ansiedlung als Überlebenshilfe, zur Existenz- und Ernährungssicherung und setzt ihre Unterstützung fort. Andere Leistungen, die aus der Zusammenarbeit hervorgehen sind zum Beispiel die Mütterberatung, Beihilfe zum Nahrungsmittelkauf in Trockenzeiten, der Aufbau von Zero-Grazing-Ställen für die Ganzjahreshaltung von Milchkühen und die Beschaffung von Saatgut, Ziegen und Hühnern zur Sicherung der Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln. Auch bei der Renovierung von Häusern oder bei der fundamentalen Ausstattung der Wohnungen zum Beispiel durch neue Betten oder Matratzen, werden Familien, die in Armut leben, nicht allein gelassen.
Vorstandsmitglied Volker Schatkowski berichtet außerdem von Selbsthilfegruppen für Eltern, die sich zusammenfinden und gemeinsam unter Anleitung Pflanzenaufzucht betreiben. Die Setzlinge werden später in die eigenen Gärten mitgenommen und dort weitergepflegt. Abgesehen von der gemeinsamen Pflanzenpflege, erfahren Menschen in diesen Selbsthilfegruppen enorme gegenseitige Unterstützung – sie bilden eine Gemeinschaft.
Die Organisation – hier und dort
Der kenianische Staat übernimmt für die einzelnen Bürger*innen gerade im sozialen Bereich wenig Verantwortung. In Kenia sind 80 Prozent der Bevölkerung informell beschäftigt. Ihre Arbeit ist also nicht staatlich registriert und sie haben keinen Zugang zu staatlich organisierten Sozialversicherungen. Die Einwohner*innen sind stärker auf sich selbst angewiesen und auf die Kirche, die viele Aufgaben des Staates übernimmt. Auch das ländliche Entwicklungszentrum Ngelani ist an die Kirche angegliedert. Es wird von einem elfköpfigen ehrenamtlichen Team geleitet und gehört zur African Inland Church. Es arbeitet zusammen mit der Fördergemeinschaft in Kiel. Neue Projekte werden nur auf Anregung und mit Absprache mit den Partner*innen vor Ort begonnen, da nur diese kompetent über die Art und den Umfang einzelner Maßnahmen entscheiden können.
Zu den Aufgaben des Zentrums gehört die Aufnahme von Ideen und Anregungen aus der Region, die Entwicklung von Impulsen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in der Region ebenso wie die Verwaltung und Nutzung der finanziellen Mittel.
Ein Organisator und eine Pastorin, beide Angestellte des Zentrums, halten zuverlässigen Kontakt: Sie schauen, wie die Arbeit in den Schulen vorangeht und besuchen die Familien. In diesen Besuchen und Gesprächen kommen Probleme und Bedarfe zu Tage, über die das Komitee informiert wird. Dieses entscheidet dann, welche Familien wie gefördert werden. Alle diese Entscheidungen werden vor Ort getroffen.
Volker Schatkowski stellt klar, dass alle Projekte mit den Menschen vor Ort zusammen erarbeitet werden. „Das ist wichtig, um nicht wie Kolonialherren aufzutreten“, sagt er. In der Fördergemeinschaft wird der Begriff der Partnerschaft auf Augenhöhe sehr ernst genommen und es wird versucht, möglichst gleichberechtigt zu agieren. Dass sei leider nicht komplett möglich, weil das Geld nun mal von der Fördergemeinschaft komme, gibt Volker Schatkowski einen ehrlichen Einblick.
Zwischen allen findet ein reger Austausch statt. Ungefähr in einem Rhythmus von zwei Jahren finden Begegnungsreisen nach Ngelani statt, um die Entwicklung der Projekte zu sehen sowie Fragen und Probleme zu besprechen. In größeren Zeitabständen erfolgen auch Gegenbesuche nach Kiel.
Die Arbeit in Deutschland ist vor allem bestimmt durch Spendenakquise und Öffentlichkeitsarbeit. Der Fördergemeinschaft gehören etwa 100 Einzelförderinnen an sowie Spenderinnenkreise. Die Ehrenamtlichen in Deutschland halten Kontakt zu diesen z.B. durch Briefe mit Berichten. Aber auch die Bildungsarbeit in Schulen hier vor Ort wird nicht unberücksichtigt gelassen. Es wird auch in Grundschulen immer wieder Bildungsarbeit geleistet, wie das Leben anders stattfinden kann. „Darum geht’s vor allem: Die Unterschiede zu erkennen, aber eben auch die Parallelen und Gemeinsamkeiten“, erklärt Volker Schatkowski. Durch Berichte von Besuchen dort soll den Kindern die persönliche Bindung gezeigt und ein Verständnis der eigenen Rolle innerhalb der Weltgemeinschaft vermittelt werden.
Ausblick
Die Fördergemeinschaft Ngelani Waisenkinder war Gründungsmitglied des BEI, ist dann wieder ausgetreten, und seit fünf oder sechs Jahren nun aber doch wieder ein Mitglied des Bündnis Eine Welt für entwicklungspolitische Inlandsarbeit in Schleswig- Holstein.
Für die nächsten 30 Jahre wünscht die Fördergemeinschaft dem BEI weiterhin das Allerbeste und an das BEI besteht der Wunsch nach weiteren informativen Fortbildungen. Besonders zu Themen wie der Verjüngung von Vorständen, der Werbung von neuen Mitgliedern und den vielfältigen Rollenkonflikten, die sich aus dem entwicklungspolitischen Engagement ergeben, wäre ein Austausch und Vernetzung mit dem BEI und seinen Mitgliedern sehr bereichernd. An die Zivilgesellschaft gerichtet, möchte Volker Schatkowski gerne mit auf den Weg geben: „Begreift, dass ihr verantwortlich seid auch für das, was in anderen Teilen der Welt vor sich geht, nicht nur in unserem Land!“
Wer diese Verantwortung übernehmen möchte, kann das zum Beispiel in Form von ehrenamtlichem Engagement bei der Fördergemeinschaft tun. Neue Mitglieder sind immer herzlich willkommen, besonders gut für den Einstieg eignet sich die Jahresversammlung. Zu dem regen Gedankenaustausch ist jede*r herzlich eingeladen. Auch Menschen, die noch keine Mitglieder sind.
Dieser Text ist auf Grundlage eines Interviews entstanden, das Paulina Schneider mit Volker Schatkowski geführt hat.
Brücken bauen – 30 Jahre Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein
Thema VIII, in Kooperation mit dem Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e. V.. 196 Seiten.