Bibliotheken sind längst nicht mehr nur Orte, an denen man Bücher ausleiht. Mit ihren digitalen Angeboten öffnen sie neue Wege für Wissen, Kultur und digitale sowie gesellschaftliche Teilhabe. E-Books, Online-Lernplattformen, Datenbanken und Streaming-Dienste sind seit langem Bestandteil des Bibliotheksbestandes, der über hybride Kataloge auch online zugänglich gemacht wird. Bibliotheken SH hat diesen Wandel aktiv unterstützt und mitgestaltet. Welche Veränderungen haben das Bibliothekssystem in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren geprägt? Und welchen Einfluss haben neue Technologien wie Automatisierung und Künstliche Intelligenz auf den Bestandsaufbau und den regionalen Leihverkehr in Zukunft?
Alles begann mit riesigen Zettelkatalogen in Flensburg und Rendsburg, die Übersicht über die Bestände der Bibliotheken in Schleswig-Holstein gaben. Ergänzend wurden noch bis in die 1990er Jahre hinein Druckkataloge herausgegeben. Diese waren zwar systematisch aufgebaut, aber nur schwer aktuell zu halten. Die Bearbeitung einzelner Themenbereiche konnte Monate dauern. Informationen über den Standort der gewünschten Medien fehlten häufig und die Ausleihe über den Leihverkehr war umständlich und zeitintensiv. Ein erster großer Schritt in Richtung Digitalisierung war die Einführung eines elektronischen Zentralkatalogs im Jahr 2001, zunächst noch auf CD-ROM. Die wachsenden Bibliotheksbestände und neue Softwarelösungen führten schließlich zur Entwicklung eines modernen Zentralkatalogs, der heute als Herzstück des schleswig-holsteinischen Bibliothekswesens die Bestände von mehr als 100 öffentlichen Bibliotheken und der Leihverkehrs- und Ergänzungsbibliothek nachweist.
Seit dem Umstieg auf das Open-Source-Bibliothekssystem Koha im Jahr 2018 präsentiert sich der Zentralkatalog leistungsfähiger denn je: Über 400.000 Bücher, Filme, Hörspiele und Spiele aus mehr als 100 Bibliotheken können hier recherchiert und bestellt werden – auch digitale Medien wie E-Books sind integriert. Bislang im Zentralkatalog nur unvollständig erfasste Bibliotheksbestände, etwa aus kreisfreien Städten wie Kiel, werden nach und nach hinzugefügt. Besonders hervorzuheben ist die Integration der Bestände der Musikbibliothek der Stadtbücherei Neumünster.
Mit regelmäßigen Datenabgleichen aktualisieren sich die Bestandsinformationen nahezu automatisch. Das intelligente System erkennt außerdem, wo ein Medium verfügbar ist, und steuert die Bestellung gezielt. Die Bibliotheken nutzen den Katalog gleichzeitig als Quelle für Fremddaten wie Cover, Rezensionen oder Wikipedia-Verlinkungen. Das macht die Suche nicht nur informativer, sondern auch anschaulicher.
Die Bearbeitung von jährlich etwa 100.000 Leihverkehrsbestellungen über den Zentralkatalog Schleswig-Holstein konnte damit erheblich vereinfacht werden. So wird der Leihverkehr effizienter, transparenter und nutzerfreundlicher.
Ende 2025 wird ein neuer Reservierungskalender in den Zentralkatalog integriert und damit die Vermittlung der vielfältigen Austauschbestände wie die Wissensboxen für Schulen und Kitas, die mobile Bibliothek der Dinge, Kamishibais und Bilderbuchkinos, mobile Makerspaces und die Bestände für die Arbeit mit älteren Menschen und Demenzerkrankten deutlich vereinfachen.
Für die Zukunft könnte die Einführung eines KI-gestützten Chatbots eine spannende Erweiterung des Zentralkatalogs darstellen. Dieser Chatbot wäre in der Lage, Fragen zum Bestand zu beantworten und gezielte Empfehlungen zu geben.
Für einen aktuellen, vielseitigen und anpassungsfähigen Bestandsaufbau in Bibliotheken unterschiedlicher Größe und Ausrichtung waren ebenfalls neue Lösungen erforderlich. Das 2021 eingeführte Online-Bestellsystem verbindet moderne Datentechnik mit Automatisierungsprozessen und bietet den Bibliotheken in Schleswig-Holstein dadurch mehr Flexibilität. Es ermöglicht eine Erweiterung des Medienangebots und sorgt für kürzere Lieferzeiten, während die Bearbeitungskosten und die Qualität der bibliothekarischen Daten stabil bleiben.
Vernetztes Handeln: Konsortien schleswig-holsteinischer Bibliotheken
Seit knapp 15 Jahren unterstützt Bibliotheken SH die öffentlichen Bibliotheken im Land auch bei der Erweiterung ihrer digitalen Angebote. Landesweite Konsortien ermöglichen es Bibliotheken heute, unabhängig von ihrer Größe digitale Inhalte vorzuhalten. Die zentrale Koordinierung durch Bibliotheken SH reduziert den Aufwand für die beteiligten Einrichtungen erheblich und ermöglicht bessere Konditionen.
Vorreiterprojekt ist die Onleihe zwischen den Meeren, über die teilnehmende Bibliotheken bereits seit 2011 E-Books, Hörbücher und andere digitale Medien verleihen – bequem per App oder Browser, immer und überall. 115 Bibliotheken und Fahrbibliotheken aus Schleswig-Holstein sowie die deutschen Büchereien in Nordschleswig sind Teil des von Bibliotheken SH koordinierten Verbundes, der damit zu den größten Zusammenschlüssen in ganz Deutschland zählt. Der Onleihe-Verbund zeigt die enge Zusammenarbeit zwischen Landesverband und Bibliotheken: Die teilnehmenden Bibliotheken engagieren sich mit Unterstützung von Bibliotheken SH in Arbeitsgruppen, betreiben Bestandsaufbau- und pflege, leisten technischen Support und entwickeln Marketingmaterialien für die Bewerbung des Angebots.
Mit mehr als zwei Millionen digitalen Ausleihen pro Jahr, was einem Anteil von derzeit rund 15 Prozent der Gesamtentleihungen entspricht, hat sich die Onleihe fest im Alltag vieler Leserinnen und Leser etabliert. Neu hinzugekommen ist 2023 eine Erweiterung des digitalen Hörbuchangebots über die Plattform OverDrive und die dazugehörige Libby-App.
Seit 2011 bieten öffentliche Bibliotheken in Schleswig-Holstein Zugriff auf Inhalte der Munzinger-Datenbanken. 2017 kam die Brockhaus Online-Enzyklopädie dazu, die mittlerweile ein breites Spektrum an digitalen Nachschlagewerken und interaktiven Kursen für alle Altersklassen bietet. Diese Angebote garantieren verlässliche Informationen – eine wichtige Ergänzung in Zeiten von Fake News und Überinformation im Netz.
Filmbegeisterte finden im Streaming-Portal Filmfriend mehr als 2.200 Spielfilme, Dokumentationen und Serien – kostenfrei und ohne Werbung. Auch anspruchsvolle Nischenformate finden hier ihren Platz.
Sharemagazines ist ein digitaler Lesezirkel, der rund 600 deutschsprachige und internationale Zeitschriftenmagazine in digitaler Form für die Nutzung in der Bibliothek anbietet. Das moderne Leseangebot trägt dazu bei, die Aufenthaltsqualität in den Bibliotheken zu verbessern und stärkt den Charakter der Bibliothek als „Dritter Ort“.
Ganz neu im Portfolio ist das mehrfach ausgezeichnete Nachrichtenportal RiffReporter. Es liefert fundierte, unabhängig recherchierte Artikel aus den Bereichen Wissenschaft, Umwelt, Gesellschaft und Weltpolitik. Damit unterstützen Bibliotheken nicht nur die individuelle Meinungsbildung, sondern fördern aktiv demokratische Bildung und Medienkompetenz.
Um schleswig-holsteinischen Bibliotheken und ihren Nutzern ein noch umfassenderes digitales Angebot zu ermöglichen, wird Bibliotheken SH in den kommenden Jahren die E-Medien- Offensive weiter vorantreiben.
Ausblick
Mit der Zusammenführung der beiden Standorte ist in Rendsburg ein modernes Dienstleistungszentrum entstanden. Dies eröffnet neue Chancen, um die Bibliotheken in Schleswig-Holstein beim Bestandsaufbau zu unterstützen und den regionalen Leihverkehr in den kommenden Jahren weiter zu verbessern.
Ein erster Schritt ist die Einführung einer hochmodernen Sortieranlage. Sie wird künftig eine schnellere Bearbeitung von Leihverkehrsbestellungen und die Verteilung neuer Medien an die Bibliotheken ermöglichen.
Das Lektorat von Bibliotheken SH plant, die Marktsichtung in speziellen Bereichen durch einen sogenannten Approval Plan zu optimieren. Dabei wird ein externer Dienstleister helfen, Titelinformationen schneller und gezielter bereitzustellen. So könnten neue Romane in plattdeutscher Sprache im Bereich Belletristik künftig früher und umfassender erfasst werden.
Ein weiteres spannendes Zukunftsprojekt könnte die Einführung von Floating Collections in Schleswig-Holstein sein. Bei diesem Konzept verbleiben Medien nach der Rückgabe in der Bibliothek, in der sie abgegeben wurden. Das System lernt mit der Zeit, in welchen Bibliotheken die zurückgegebenen Medien am meisten nachgefragt werden, und verteilt die Medien automatisch an die passenden Standorte. In den USA und Skandinavien wird dieses Modell bereits erfolgreich eingesetzt, und auch die Hamburger Bücherhallen haben erste Erfahrungen damit gesammelt.
Für Schleswig-Holstein könnte dieser Ansatz eine wichtige Grundlage für zukünftige Entwicklungen im Bibliothekssystem darstellen. Eine mögliche Idee wäre, dass Medien aus dem Ergänzungsbestand der Leihverkehrs- und Ergänzungsbibliothek (LEB) in einer Bibliothek verbleiben und erst bei Bedarf direkt an die bestellende Bibliothek weitergeleitet werden.
Fazit
Dieser Überblick zeigt, wie stark sich die Bibliotheken in Schleswig-Holstein in den letzten Jahrzehnten gewandelt haben. Sie sind heute digitale Wissenszentren, die den Zugang zu Informationen und Kultur für alle Altersgruppen ermöglichen. Der technische Fortschritt, insbesondere in Form von digitalen Medien und Künstlicher Intelligenz, hat auch die Bibliothekslandschaft in Schleswig-Holstein nachhaltig geprägt. Durch neue Technologien können die Bibliotheken ihre Bestände effizienter verwalten und den Zugang für ihre Nutzenden deutlich vereinfachen. Gleichzeitig bietet der digitale Wandel neue Chancen für eine stärkere Vernetzung und Kooperation. Dennoch bleibt die Bibliothek ein wichtiger Ort für Begegnung und Austausch. In Zukunft wird es darauf ankommen, das richtige Gleichgewicht zwischen technologischen Entwicklungen und persönlichem Service zu finden, damit die Bibliotheken auch in einer digitalisierten Welt ein Raum für kreative Entfaltung und Wissensvermittlung bleiben. Der Wandel ist noch lange nicht abgeschlossen – Bibliotheken SH steht auch in Zukunft als Partner zur Seite, wenn die Bibliotheken im Land ihre Rolle als Kultur- und Wissensorte immer wieder neu definieren.