In einer Welt, die zunehmend durch Globalisierung und Migration geprägt ist, spielt interkultureller Austausch eine immer wichtigere Rolle. Der Verein Noviwo e.V. setzt sich genau dafür ein: Brücken zwischen Menschen aus Deutschland und Togo bauen und gegenseitiges Verständnis stärken. Von der Unterstützung von Schulkindern in Togo bis hin zu Sensibilisierungsmaßnahmen in Deutschland, Noviwo fördert ein respektvolles Miteinander.
Es war die gemeinsame Erfahrung der sozialen Arbeit in Togo, die uns zusammenbrachte: Fünf ehemalige Freiwillige und zwei in Deutschland lebende Togoer. Getrieben von der Vision, den Austausch zwischen unseren beiden Kulturen zu fördern, Vielfalt zu leben und das Zusammenleben aller Menschen zu bereichern, gründeten wir im Jahr 2019 den Verein „Noviwo e.V. – deutsch-togoischer Verein für Vielfalt und Austausch“. Seit der Gründung haben wir uns mit dem Verein verändert. Wir haben Berufe gelernt, sind Eltern geworden, sind verreist und haben uns mit anderen Menschen und Organisationen austauschen können. Wir sind gewachsen, persönlich und institutionell. Verändert hat sich mit uns auch der Anspruch an die ehrenamtliche Vereinsarbeit bei Noviwo. Manche Prinzipien haben sich weiterentwickelt, andere haben sich mehr und mehr gefestigt. Unser wichtigstes Prinzip möchten wir hier vorstellen.
Der binationale Ansatz
Einer der wichtigsten Grundsätze unserer Vereinsarbeit ist die Begegnung auf Augenhöhe. Daraus hat sich der binationale Ansatz entwickelt: Unsere Projekte werden, wann immer möglich, sowohl in Deutschland als auch in Togo umgesetzt. Wir sehen uns in der Verantwortung, neokoloniale Strukturen zu durchbrechen und in stetiger Selbstreflexion unsere Angebote anzupassen. Bereits bei der Planung neuer Projekte versuchen wir daher, die verschiedenen Perspektiven einfließen zu lassen. Daraus entstehen vielseitige Ergänzungen, die die ursprünglichen Ideen erweitern und verändern.
Wie sieht das konkret aus? Das Beispiel unseres Projektes „Schulstart“ zeigt es gut: Ein Vereinsmitglied hatte den Wunsch, die Bildung der Kinder in Togo zu fördern. Die jährliche Anschaffung von Schulmaterial stellt dort für viele Familien eine hohe finanzielle Belastung dar, die nicht selten zum Ausschluss aus dem Bildungssystem führt. Seit drei Jahren können wir nun Dank Spendengeldern einige Familien unterstützen, indem wir das benötigte Material zur Verfügung stellen. 2023 konnten wir so 115 Kinder für das neue Schuljahr ausstatten. Das freut uns unheimlich, reicht uns aber nicht! Um unserem binationalen Ansatz gerecht zu werden, gingen unsere Überlegungen darüber hinaus. Wir kamen in Austausch darüber, was in Deutschland fehlen würde, und wo wir auch hier das Bildungssystem unterstützen könnten. Unsere Antwort: Es fehlt an Vielfalt und Repräsentation! Im ersten Jahr haben wir also diversitätssensibles Schulmaterial vorgestellt und in den darauffolgenden Jahren um unser eigenes ergänzt. Ein Stundenplan zum Ausfüllen und weitere Vorlagen für Schulkinder, jeweils mit divers gezeichneten Illustrationen gestaltet, stehen auf unserer Website zum kostenlosen Download bereit.
In jedem Prozess – von der ersten Projektidee bis zur abgeschlossenen Umsetzung – durchlaufen wir (auch) dank des binationalen Ansatzes eine selbst- und rassismuskritische Reflexion mit dem Blick auf den Abbau von neokolonialen Strukturen und Machtverhältnissen. Gemeinsam lernen, auf Augenhöhe zusammenarbeiten, zusammenwachsen.
Spielerisch zusammenwachsen
Das Projekt, das uns bisher mit Abstand die meiste Zeit und Nerven gekostet hat und uns gleichzeitig aber auch unheimlich stolz macht, ist unser eigens entworfenes Legespiel.
Die Idee kam von unserem Mitglied Kokou Mawuli Agbo, als er für seine pädagogische Arbeit nach Spielmaterial suchte, das unsere gesellschaftliche Vielfalt angemessen darstellte. Die Suche ergab vor allem eine bittere Erkenntnis: Repräsentation ist Mangelware.
Sein Frust mündete in der Motivation des ganzen Vereins: Angetrieben von der Idee, Spielmaterial zu entwerfen, das allen Kindern das Gefühl gibt, gesehen und wertgeschätzt zu werden, hat sich eine Projektgruppe an die Arbeit gemacht. Nach fast zwei Jahren entstand ein wunderbar vielseitiges Legespiel. Das Besondere an dem Spiel: Figuren mit unterschiedlichen Hautfarben, Behinderungen, Geschlechtern und Körpermerkmalen lassen sich beliebig zusammensetzen. Auf den Spielkarten gibt es Sommersprossen, Muttermale, Gehtrainer und Orthesen, Insulinpumpen und Stomabeutel und noch vieles mehr zu entdecken – ein bunter Mikrokosmos, der die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegelt.
Mit diesem Spiel in der Hand soll jedes Kind spüren: Ich bin einzigartig und wertvoll! Um diese Botschaft so vielen Kindern wie möglich zugänglich zu machen, ist das Spiel kostenlos erhältlich. Gegen eine Spende oder auch ohne kann es direkt bei Noviwo bestellt werden. In vielen Kitas, Kinderheimen und Familien sorgt es bereits für Spielspaß und lehrreiche Momente. Es ist ein Projekt, das nicht nur Kinder begeistert, sondern auch Erwachsene inspiriert und Hoffnung auf eine vielfältigere und tolerantere Gesellschaft macht.
Unser Legespiel hat sich zudem zu einem wahren Kreativ-Treibstoff entwickelt! Beim Itzehoer Kindertag begeisterten wir die Kinder zum zweiten Mal mit einem Bastelangebot, bei dem sie das Legespiel in ein farbenfrohes Schiebespiel verwandeln konnten. Und damit nicht genug: Aus den Kopf-teilen des Legespiels zauberten wir ein spannendes Memory-Spiel.
Die Ideen sprudeln weiter und wir sind gespannt, welche neuen Spielvarianten und Aktivitäten wir aus unserem Legespiel noch entwickeln können. Unser Ziel ist es, mit diesen vielfältigen Angeboten noch mehr Kinder zu erreichen und ihnen Sichtbarkeit und Wertschätzung zu vermitteln.
Das Legespiel war für uns mehr als nur ein Spiel. Es war eine Reise des Wachstums und des Lernens. Mit jedem Schritt, den wir gemeistert haben, haben wir neue Fähigkeiten entwickelt und unsere Komfortzone verlassen. Unsicherheiten und offene Fragen waren dabei unsere ständigen Begleiter, doch genau diese Herausforderungen haben uns zusammengeschweißt und uns gezeigt, was wir erreichen können. Am Ende hielten wir voller Stolz das fertige Spiel in unseren Händen – ein Symbol für unsere gemeinsame Anstrengung und unseren Erfolg.
Ehrenamtliche Arbeit ist wie dieses Legespiel: Voller Überraschungen, Herausforderungen und Momenten des Glücks. Sie verändert uns oft mehr, als wir es selbst wahrnehmen. Es ist eine Investition in die Gemeinschaft und in uns selbst, die sich immer wieder aufs Neue lohnt.
Brücken bauen – 30 Jahre Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein
Thema VIII, in Kooperation mit dem Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e. V.. 196 Seiten.