„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?“ So zitiert Tom Schaberg Thomas Mann in seiner kurzen Geschichte der Tuberkulose, die sich als kaum kürzer als jene der Menschheit offenbart.
Wir schöpfen reichlich aus diesem Brunnen in der vorliegenden Ausgabe: Zum Vorschein kommt ein Kosmopolit, dessen Werdegang vom Kieler Theologieprofessor hin zum „norddeutschen Jakobiner“ im Paris der französischen Revolution uns Maike Manske näherbringt. Carl Friedrich Cramer, von dem die Rede ist, traf dort vielleicht auf den dänischen Dichter Jens Immanuel Baggesen. Baggesen sollte später ebenfalls Professor in Kiel werden, bevor er in Kopenhagen einen jahrelangen literarischen Disput mit dem Nationalromantiker Adam Oehlenschläger ausfocht. Martin Lätzel erzählt uns mehr.
Weiter in der Zeit. Wieder Kiel. Nächste Revolution. Klaus Groths Gedichtband Quickborn wird zum Bestseller. Den Erfolg hat er mit dem Professor Karl Müllenhoff geschmiedet. Frank Trende hat den von Dieter Lohmeier editierten Briefwechsel der beiden gelesen. Und Hargen Thomsen den Quickborn. Nun fragt er: Von welcher Welt schreibt Groth? Von der heilen? Von der weiten? Von der sich in Bewegung setzenden? Die industrielle Revolution war in vollem Gange, der Quickborn ein Rückzugsort. Wie vielleicht auch die Gemälde des dänischen Landschaftsmalers Janus la Cour. Die künstlerischen Strömungen seiner Zeit ließen ihn kalt, la Cour malte permanent nur pure Natur. Florian Illies schaut genau hin und erkennt: Mit seinem Blick machte Janus la Cour die Natur reif für die Moderne .
Käthe Kollwitz blickte auf die prekäre Lage der Menschen während des tiefgreifenden Umbruchs und wurde mit ihrem Grafikzyklus zu den schlesischen Webern 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung für eine Medaille vorgeschlagen. Weil der Inhalt zu sozialkritisch war, lehnte Kaiser Wilhelm II. jedoch eine Verleihung ab. Das hinderte Käthe Kollwitz nicht daran, eine der bedeutendsten Künstlerinnen des frühen 20. Jahrhunderts zu werden, wie Sophie Matuszczak und Jürgen Doppelstein berichten.
Die Moderne grub sich weiter durch die Landschaft: 1895 eröffnete der Nord-Ostsee-Kanal. Meisterhafte Ingenieurleistung und bis heute Inspirationsquell für Literat*innen, wie Pauline Reinhardt weiß. Auch die Wissenschaft grub sich tiefer hinein in die Geheimnisse der Natur: 1882 entdeckte Robert Koch den Tuberkulose-Erreger, wie Tom Schaberg in seiner kurzen Geschichte schildert. Max Planck, auch er einmal Kieler Professor, entdeckte 1900 die Quantentheorie. Der Nachlass des Physikers wird in seiner Geburtsstadt Kiel erschlossen. Erik Schroedter und Michael Bonitz blicken auf die Kondolenzschreiben die Plancks Frau Marga nach dessen Tod aus aller Welt erreichten.
Und außerdem?
Seit 75 Jahren unterstützt der Freundeskreis das Landesmuseum Schloss Gottorf. In Kiel ist Kunst von öffentlichem Interesse und in Itzehoe gibt es vielleicht bald ein Graffiti-Museum.
Das alles und noch viel mehr in Ihrer neuen Schleswig-Holstein. Viel Spaß beim Lesen und Entdecken,
Ihr
Kristof Warda
k.warda@schleswig-holstein.sh