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Blick des Landes auf den Büchereiverein

Der Über-Hundertjährige, der mit 30 wiedergeboren wird. Ein schriftliches Grußwort von Philipp Salamon-Menger

Lieber Landesverband, Happy Birthday – egal zu welchem Geburtstag und unter welchem Namen. Ob Landes-büchereistelle, Büchereiverein oder Bibliotheken SH – nur wer sich ändert, bleibt bestehen. Verlässlich nehmen Büchereiverein und Büchereizentrale ihre Dienstleistungs- und Fachstellenfunktion wahr mit dem Ziel einer flächendeckenden Medien- und Informationsversorgung durch die öffentlichen Bibliotheken. Das neue Logo bringt es entsprechend auf den Punkt: Um den Landesverband Bibliotheken SH dreht sich alles, er zieht seine Kreise, er ist das Zentrum des schleswig-holsteinischen Bibliothekswesens, er stellt die Bibliotheken in den Mittelpunkt.

Der Über-Hundertjährige, der mit 30 wiedergeboren wird

Als Historiker sehe ich eine Zentrale für Nordmarkbüchereien, die im Oktober 1921 in Flensburg gegründet wurde, quasi die Keimzelle mit einer Büchereizentrale zur Festigung der deutschen Kultur in der deutsch-dänischen Grenzregion von der Preußischen Regierung mit zwei Millionen Reichsmark ausgestattet. Schon in diesen ersten Jahren gelang es, die Büchereien durch Verträge zwischen Kommunen, Kreisen und Büchereizentrale abzusichern. Parallel entstand in Kiel eine „Staatliche Beratungsstelle“, die vom Direktor der Stadtbücherei nebenamtlich geleitet wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es dann die Landesbüchereistellen und Büchereizentralen in Flensburg und Rendsburg. Das Bundesland war mit dem Bindestrich zwar bereits geeint, das Büchereisystem aber noch in die Landesteile Schleswig und Holstein getrennt. Ende der 1950er Jahre entstand der Zentralkatalog als Grundlage für den Regionalen Leihverkehr und die Fahrdienste. Die 1960er Jahre waren geprägt von der Umstellung von der Thekenentleihung aus den Magazinen hin zur Freihandaufstellung – heute gar nicht mehr anders vorstellbar. Ab den 1970er Jahren wurde die Kooperation zwischen beiden Landesteilen stetig verstärkt, auch etwa bei den Fahrbüchereien oder dem Zentrallektorat. Es gab nun zwar eine Landesbüchereistelle Schleswig-Holstein, ab 1973 auch die Landeszentralbibliothek in Flensburg mit ihrem Neubau 1988 in der Waitzstraße 5, aber die zweite Dienststelle in Rendsburg blieb bestehen und auch eine Ungleichgewichtung in der finanziellen Förderung des Landes für das Büchereiwesen in Holstein und in Schleswig.
In diese Geschichte eines dreiviertel Jahrhunderts trat der Büchereiverein Schleswig-Holstein e.V. dann 1995 ein: aus drei – dem Verein Büchereiwesen in Holstein e.V., dem Deutschen Grenzverein für Kulturarbeit im Landesteil Schleswig e.V. und der Landesbüchereistelle Schleswig-Holstein – wurde eins. In einem Jahr übrigens, in dem entscheidende Weichen gestellt wurden: Windows 95 kam auf den Markt, der Vorläufer von Google wurde erfunden, Christo verhüllte den Reichstag, der Komet Hale-Bopp wurde entdeckt und: Der Büchereiverein wurde gegründet.

Ein großer kulturpolitischer Erfolg

Als Leiter der Abteilung Kultur des Ministeriums für Allgemeine und berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein lerne ich von meinem Vorvorgänger Rolf-Peter Carl, der den Prozess maßgeblich begleitete, dass die Strukturen bis dahin eigen- und einzigartig und damit schwer durchschaubar waren. Die Verhandlungen bewertete er als lang und zäh, sah aber in der Büchereizentrale das „Herz des Büchereisystems“. Vorausgegangen waren die Diskussion um die Organisationsform – GmbH-Lösung oder Vereinsträgerschaft –, ein Bibliotheksentwicklungsplan des dbv-Landesverbandes, dessen wesentliche Empfehlungen durch ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten des Deutschen Bibliotheksinstituts in Berlin 1992 bestätigt wurde. Im Ergebnis entstand ein auf Landesebene geeintes Bibliothekswesen als Zusammenschluss der Büchereiträger, nicht der Büchereien selbst. Und auch wenn manches eigenartig blieb – wie etwa die Tatsache, dass der 1995 neu berufene Direktor im dienstlichen Interesse bis auf weiteres, also bis Ende 2018, unter Fortzahlung der Dienstbezüge zur Wahrnehmung von Aufgaben für den Büchereiverein beurlaubt wurde sowie ein Kollege aus der EDV-Abteilung ins Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (MBWFK) versetzt wurde, der Dienstort aber in Rendsburg festgelegt wurde –, so mauserte sich der Büchereiverein doch schnell landes- und bundesweit.

Andere kommen mit drei bis vier Jahren in die Trotzphase, der Büchereiverein in den kommunalen Finanzausgleich. Hierfür wurde 1999 der bisherige Landesanteil aus dem Kulturhaushalt als Festbetrag der Finanzausgleichsmasse zugeführt. Der Vorwegabzug sieht für die kommunalen Mittel, die dem Büchereiverein als Selbstverwaltungseinrichtung der Kreise und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, eine jährliche Dynamisierung von 2,5 Prozent vor, die hilft, die Kostensteigerungen auszugleichen. Ein Vierteljahrhundert später bekennen sich Land und Kommunen in den Kulturpolitischen Leitlinien von 2023 zu einer Verantwortungsgemeinschaft und partnerschaftlichen Finanzierung von kultureller Infrastruktur, insbesondere der Bibliotheken. Während das Land vorwiegend überregionale und landesweite kulturelle Vorhaben und Verbandsstrukturen sowie Projekte mit Modellcharakter fördert, betreiben die Kommunen Kulturförderung im Rahmen ihrer Selbstverwaltung in ihrem Gebiet in eigener Verantwortung. So kommen beide Seiten in dieser beispielhaften interkommunalen Zusammenarbeit mit erheblichen Synergieeffekten, die allen Beteiligten zugute kommen, der Verpflichtung von Artikel 9 Absatz 3 der Landesverfassung nach: Die Förderung der Kultur einschließlich […] des Büchereiwesens […] ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. In diesem Auftrag sichert der Büchereiverein als Dienstleistungseinrichtung der Kommunen gemäß der von ihm abgeschlossenen Büchereiverträge eine flächendeckende Medien- und Informationsversorgung der Bevölkerung in allen Teilen des Landes durch die öffentlichen Bibliotheken.

In der Konsolidierungsphase der ersten zehn Jahren profitierte der Büchereiverein auch von mehreren Prüfungen durch den Landesrechnungshof, dessen Empfehlungen Anstöße zur weiteren Entwicklung gaben. Waren die ersten Jahre noch geprägt durch erhebliche Anstrengungen für eine einheitliche vertragliche Gestaltung des Büchereiwesens und der Förderkriterien sowie der Einbindung der kreisfreien Städte Flensburg, Kiel und Neumünster, zeitigten Reorganisation, Rationalisierung, Automatisierung, Optimierung, die EDV-Einführung schnell Erfolge. Aus Kritik wurde Lob: Die zentrale Erbringung von Dienstleistungen durch den Büchereiverein und seiner Zentrale habe sich bewährt und als Selbsthilfeeinrichtung im Rahmen einer praktizierten interkommunalen Zusammenarbeit qualifiziert. Und die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ adelte Ende 2007 – der Büchereiverein hatte zwischenzeitlich als Klassenprimus auf die weiterführende Schule gewechselt – das in Schleswig-Holstein praktizierte Kooperationsmodell gar als für andere Länder empfehlenswertes Beispiel in Sachen Flächendeckung und Intensität der Zusammenarbeit. All dies ist eine Bestätigung für die Arbeit und Bekenntnis zur Bedeutung des Büchereivereins für das Land.
Als Ruderer bin ich es gewohnt, zurückzublicken, mich aber vorwärts zu bewegen. Die langen Linien und Kontinuitäten von nur zwei Direktoren und drei Abteilungsleitungen ermöglichten großes Verständnis untereinander, aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit Landtagsabgeordneten oder mit anderen Dachorganisationen, für Ent-scheidungen, die bis heute fortwirken. So wandelte Carls Nachfolgerin Susanne Bieler-Seelhoff den Gaststatus mit beratender Funktion im Vorstand in eine Vollmitgliedschaft um und verankerte den Büchereiverein 2016 im Bibliotheksgesetz des Landes, das fünfte bundesweit. Sie hat damit die bereits beschriebene große Bedeutung des Büchereivereins auch in dieser Hinsicht noch einmal unterstrichen. Das Verständnis des Landes über moderne Bibliotheksarbeit zeigt sich als Quintessenz in der Präambel: Bibliotheken sind Partner für Bildung, Kultur, Wissenschaft und lebenslanges Lernen. Sie bilden in ihrer Gesamtheit einen herausragenden Bestandteil der kulturellen Infrastruktur in Schleswig-Holstein. Sie haben eine besondere Bedeutung für die Verwirklichung von Grundrechten, die demokratische Willensbildung und für das Miteinander von Kulturen. Und Büchereiverein und Büchereizentrale unterstützen laut Gesetz das Land bei der Erfüllung dieser Aufgaben zur Förderung des Öffentlichen Bibliothekswesens.

Mit dem Gesetz wurde folgerichtig eine neue Innovationsförderung und ein zweijährig ausgeschriebener Bibliothekspreis verbunden. Beide finanziellen Förderungen vergeben wir als Anreiz und Zeichen der Wertschätzung der engagierten Arbeit der Bibliotheken vor Ort, die diese auch dank der erfolgreichen Partnerschaft mit dem Büchereiverein sehr gut leisten können. Erfolgreiche Projekte wie etwa pars pro toto die „Kinder- und Jugendbuchwochen“, der „FerienLeseClub“, die Rahmenvereinbarung zur intensivierten Bildungspartnerschaft zwischen Bibliotheken und Schulen, das Fortbildungsangebot, die Themenräume, die rollenden Fahrbibliotheken, die Konsortien wie Munzinger, Brockhaus, Filmfriend, Sharemagazines und RiffReporter oder insbesondere auch die Onleihe zwischen den Meeren – für viele ein Segen während der Corona-Pandemie – wirken weit in die Fläche und durch alle Lebensaltersstufen und machen verstaubte Lesesäle, in denen Stille zu herrschen hatte, schon lange zu pulsierenden Zukunftsbibliotheken und Dritten Orten und das Tag und Nacht. Als lesender Mensch im Einzugsgebiet der öffentlichen Bibliothek mit der DBS-ID JK793 weiß ich Ihre unermüdliche bibliothekarische Arbeit immer wieder auch privat zu schätzen.

Stärkung der Bibliotheken

Die öffentliche Bibliothek hat sich als unverzichtbare Institution in unserer Gesellschaft etabliert. Sie ist ein Ort der Begegnung, des Lernens und der kulturellen Teilhabe. Durch unsere Arbeit haben wir – und ich verstehe mich wie meine Vorgängerin im Amt auch ausdrücklich als Mitglied der Familie Büchereiverein – dazu beigetragen, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu Informationen und Bildung haben. Durch verschiedene Programme zur Leseförderung haben wir das Interesse an Büchern und Literatur bei Kindern und Jugendlichen geweckt. Bibliotheken haben sich auch als wichtige Anlaufstellen für Migrantinnen und Migranten sowie für Flüchtlinge etabliert, indem sie Sprachkurse und interkulturelle Veranstaltungen anbieten.

Auch auf die Bibliotheken trifft die alte Redewendung zu: „Tempoa mutantur, nos et mutamur in illis.“ – Die Zeiten verändern sich und wir verändern uns in ihnen. Jede Zeit bringt neue Herausforderungen, denen wir uns aber mit den Erfolgen der Vergangenheit selbstbewusst und optimistisch stellen können. Die Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie Menschen Informationen konsumieren und sich bilden. Bibliotheken und damit auch ihr Dachverband müssen und werden sich entsprechend anpassen. Sie tun dies nicht nur, um relevant zu bleiben, sondern auch weil sie vertrauensvolle lenkende und leitende Instanzen im Dschungel der Fehl- und Falschinformationen sind. Dazu gehören die digitale Transformation, eine angemessene Finanzierung, der Wettbewerb um Aufmerksamkeit, die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Bibliotheksarbeit sowie die Zusammenarbeit mit Schulen, Kitas und Kindergärten, Kulturinstitutionen und Dachverbänden, Politik und Verwaltung, um Reichweite und Wirkung zu erhöhen.
Ich freue mich sehr auf die Festschrift, die sicherlich ähnlich unterhaltsam wird wie Ihre wunderbar graphisch gestalteten Jahresberichte. Das 30-jährige Jubiläum ist ein Anlass, zufrieden auf das Erreichte zurückzublicken und gleichzeitig mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen.

Als Mitglied des Vorstandes des Landesverbandes Bibliotheken SH werde ich die nächsten Jahre gerne mitgestalten, werde finanzielle und organisatorische Themen beraten, neue Förderkriterien mit entwickeln und das Qualitätssiegel für Schulbibliotheken aus der Taufe heben. Ich lade alle Mitglieder, Bibliotheksmitarbeitenden und Unterstützer ein, aktiv an der Gestaltung der Zukunft unserer Bibliotheken und des Landesverbandes mitzuwirken. Ihre Ideen, Anregungen und Ihr Engagement sind entscheidend, um die Bibliotheken und Bibliotheken SH als lebendige und relevante Orte in unserer Gesellschaft zu erhalten. Ich wünsche Ihnen, dass diese Saat weiter aufgeht, noch viele Lesemöwen lachen und der LV Bib auch mobil einen guten Stand hat.
Happy Birthday!

 

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Philipp Salamon-Menger
Dr. Philipp Salamon-Menger, seit Juli 2024 Leiter der Kulturabteilung des Ministeriums für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (MBWFK), zuvor Referatsleiter für Kulturentwick-lung und Religionsangelegenheiten und stv. Abteilungsleiter. Promovierter Historiker, u. a. Leitung der Volkshochschule Wiesbaden.

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