Die kommunale Landschaft in Schleswig-Holstein ist sehr unterschiedlich. Nicht weniger als 1.104 Gemeinden gibt es, darunter 63 Städte. Und alle diese Gemeinden, ob groß oder klein, haben die umfangreichen Aufgaben der sogenannten „Daseinsvorsorge“ zu bewältigen. Denn in Deutschland sind die Kommunen für diese Aufgabe verantwortlich. Bei einem genaueren Blick auf diese Aufgaben, sieht man, dass z.B. auch das Thema „Kultur“ dazugehört. Hierunter fallen nicht nur Theater und Museen, sondern auch Bibliotheken. Und genau um diese Bibliotheken – vor Ort auch besser bekannt als die klassische Stadtbücherei – und die Verbindung zum Büchereiverein Schleswig-Holstein, bzw. jetzt Bibliotheken SH, soll es in diesem Beitrag gehen. Wie ist denn die Sicht der Kommunen auf Bibliotheken SH?
Ich kann nicht für alle 1.104 schleswig-holsteinischen Kommunen sprechen, aber für die eine Kommune, die Stadt Wahlstedt, schon. Hierbei nehme ich Sie gerne, bei der Entwicklung dieser Bücherei von der Gemeindebücherei zur Stadtbücherei, bis hin zum sogenannten „Dritten Ort“, mit. Es ist eine bewegte Geschichte und es stellt sich die Frage, ob diese Geschichte ohne den Büchereiverein so verlaufen wäre, wie sie verlief.
Die Entwicklung der Stadtbücherei Wahlstedt
Bereits am 01. August 1953 wurde die Gemeindebücherei Wahlstedt offiziell gegründet. Es gab zu dieser Zeit in der Bücherei ganz klassisch Bücher. Ganze 600 Exemplare konnten von anfänglich 241 Leserinnen und Lesern ausgeliehen werden. Untergebracht war die Bücherei im Dachgeschoss der damaligen Volksschule und sie hatte zweimal die Woche für jeweils zwei Stunden geöffnet. Der Bezug zur Schule war eng und es ist nicht verwunderlich, dass der erste Leiter der Bücherei ein Lehrer war. Über die Zeit hin gab es verschiedene Leitungen der Bücherei und auch verschiedene Standorte. Bis dann im Oktober 1978, Wahlstedt war in der Zwischenzeit vom Dorf zur Stadt gewachsen, die Stadtbücherei in das neue Rathaus einzog.
Mittlerweile war die Zahl der Entleihungen auf 42.292 Medieneinheiten bei 1.574 Leserinnen und Lesern angewachsen. Es gab nicht nur Bücher, sondern diverse andere Medien, wie z.B. Hörspielkassetten, die entliehen werden konnten. Und es gab sogar noch eine Artothek, in der Bilder zur Ausleihe bereitstanden. Vom Büchereiverein SH war damals noch keine Rede.
Die Stadtbücherei lief viele Jahre mit sehr engagierten und hochmotivierten Mitarbeiterinnen, die Kundinnen und Kunden, ob jung oder alt, waren durchweg zufrieden. So, wie es sicherlich in vielen anderen Büchereien ebenfalls war und immer noch ist. Große Veränderungen waren nicht vorhanden. Bewährtes wurde umgesetzt, neue Ideen in der Praxis getestet und dann, wenn sie Anklang fanden, auch eingeführt. Über vier Jahrzehnte wurde die Stadtbücherei im Rathaus betrieben.
Während der gesamten Zeit stand die Kommunalpolitik immer hinter der Stadtbücherei, denn man muss wissen, dass eine Bücherei zu den sogenannten „freiwilligen Leistungen“ einer Kommune gehört. Es ist also, obwohl ein Teil der Daseinsvorsorge, keine Pflichtaufgabe einer Kommune, eine Bücherei zu unterhalten. Somit muss sich eine Kommune diese freiwillige Leistung, im wahrsten Sinne des Wortes, auch erst einmal leisten können. Regelmäßig mahnte das Gemeindeprüfungsamt des Kreises eine Erhöhung der Büchereigebühren an. In verträglichen Schritten wurde hier auch teilweise gefolgt, jedoch wurde von der Verwaltung und der Kommunalpolitik die Sinnhaftigkeit einer Bücherei gerade für junge Menschen stets betont. Es kann nicht sein, dass wir durch zu hohe Kosten den Zugang zur Bücherei, zum Lesen und letztendlich zur Bildung, erschweren. Die Kommunalpolitik hat sich für einen offenen und günstigen Zugang zur Stadtbücherei entschieden und die Bücherei in vielen Bereichen unterstützt. Eine weitere Unterstützung war dann seit 1995 auch der Büchereiverein. Wenn wir uns die Satzung des Vereins, der nun Landesverband Bibliotheken SH e.V. heißt, ansehen, dann lesen wir dort als wichtige Aufgabe die Förderung und Entwicklung des öffentlichen Büchereiwesens in Schleswig-Holstein mit dem Ziel einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung in allen Teilen des Landes.
Die Stadt Wahlstedt und der Büchereiverein
Der Verein Landesverband Bibliotheken SH e.V. hat rund 130 Mitglieder, die Stadt Wahlstedt ist eines davon. Wenn wir uns die Zahlen in Schleswig-Holstein ansehen, dann gibt es laut Auskunft der Internetseite des Landes Schleswig-Holstein 154 öffentliche Bibliotheken und 13 Fahrbüchereien. Somit ist fast jede öffentliche Bibliothek Mitglied in diesem Verein.
Dieses an sich sagt ja schon vieles aus. Die Entscheidung in Wahlstedt, dort Mitglied zu werden, resultierte sicherlich aus verschiedenen Beweggründen. So richtig lassen sich diese heute nicht mehr ganz eindeutig ermitteln, dennoch würde ich die Tatsache, dass der damalige Büchereiverein einige entscheidende Serviceangebote hatte und heute als Bibliotheken SH immer noch hat, als wichtige Entscheidungshilfe nehmen. Alleine die Beratungsangebote zum sinnvollen Bestandsaufbau oder die verschiedenen Ideen und Gedanken, die einen Blick über den berühmten Tellerrand ermöglichten und weiterhin ermöglichen. Wir haben beispielsweise sogar einen Ausbildungsplatz einer FaMi, einer Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, geschaffen. Im August 2012 konnten wir eine junge Dame gewinnen, die diese Ausbildung bei uns erfolgreich absolvierte und bis Sommer 2025 Leitung der Stadtbücherei Wahlstedt war. Auch hier mit Unterstützung des Büchereivereins.
Büchereien sind ja weit mehr als bloße Orte der Bücheraufbewahrung. Sie sollten lebendige Zentren des Wissens, der Begegnung und der Inspiration sein. Und so sollte sich auch die Stadtbücherei weiterentwickeln. Nur der Rahmen wurde und wird natürlich immer von den finanziellen Möglichkeiten gesetzt. Dennoch ist vieles möglich, wenn man die richtige Unterstützung hat. Dieses unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit und die unschätzbare Bedeutung des Büchereivereins bzw. von Bibliotheken SH. Dieser Verein stärkt das Netz unserer öffentlichen Bibliotheken, fördert den Austausch und sichert eine flächendeckende Literaturversorgung. Und er gibt wichtige Impulse.
Als nach mehr als 40 Jahren die Stadtbücherei im Rathaus umfassender renoviert werden sollte, haben wir natürlich auch beim Büchereiverein nachgefragt, ob es Ideen gibt. In unserem Fall spielte zudem der Zufall eine Rolle und die Tatsache, dass sich die Stadtbücherei einen gewissen Status bei der Kommunalpolitik erarbeitet hatte. Mitten im Stadtzentrum der Stadt Wahlstedt hatte ein Geschäft geschlossen, die Räume waren frei. Unser Bürgervorsteher kannte den Vermieter und hatte die Idee, dass diese Räume für die Bücherei genutzt werden könnten. Fast zeitnah kam durch einen Vortrag beim Büchereiverein der Begriff „Dritter Ort“ auf. Und ebenso die Frage, können wir einen „Dritten Ort“ kreieren? Kann unsere Stadtbücherei so ein „Dritter Ort“ werden?
Was sind eigentlich „Dritte Orte“? Nach Wikipedia umschreibt der Begriff „Dritte Orte“ in der Soziologie Orte der Gemeinschaft, die einen Ausgleich zu Familie und Beruf bieten sollen.
Somit ist der „Erste Ort“ das eigene Zuhause, als „Zweiten Ort“ können die Arbeitsstelle oder Schule etc. genommen werden. Der „Dritte Ort“ ist also ein Ort der Begegnung, an dem man sich ungezwungen treffen kann. Letztendlich ein kultureller Treffpunkt für alle.
Schnell erfolgte eine Abstimmung zwischen Politik und Verwaltung. Es wurde geprüft, ob diese Idee in der Praxis umsetzbar ist. Gespräche wurden geführt und eine grundsätzliche Zustimmung seitens der Politik signalisiert. Auch wenn es große Widerstände aus Teilen der Kommunalpolitik gab, die für eine Vergrößerung und einen Umzug der Stadtbücherei keine Veranlassung sahen. Schließlich gab es diese Bücherei am bestehenden Standort nun schon erfolgreich über 40 Jahre. Warum also groß was ändern? An dieser Stelle kommt dann ganz entscheidend noch einmal der damalige Büchereiverein, jetzige Landesverband Bibliotheken SH e.V. ins Spiel. Wir konnten von den Erfahrungen, dem Know-How dieses Vereins profitieren. Bekamen nicht nur für unsere Argumentation gegenüber der Politik, für eine neue Bücherei, Rückendeckung, sondern ganz pragmatische Hilfe. So erhielten wir über den Verein die kostenlose Unterstützung einer Innenarchitektin, die den gesamten Neuaufbau der Stadtbücherei begleitete und auch die Anregungen unserer Mitarbeiterinnen aufnahm und umsetzte. Somit konnte dann der ursprüngliche Haushaltsansatz für ein bisschen Farbe und neue Regale, damit die vorhandene Stadtbücherei etwas aufgehübscht werden kann, deutlich erweitert werden, um eine ganz neue Stadtbücherei zu entwickeln. Ohne die Unterstützung des Büchereivereins wäre dieses wohl deutlich schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, gewesen. Und das dieser Schritt zur Veränderung genau der richtige war, zeigte sich dann auch schon bei der offiziellen Eröffnung der neuen Stadtbücherei. Die größten Kritiker gestanden ein, dass sie sich geirrt hatten und diese neuen Räumlichkeiten in der Tat eine echte Verbesserung zum bisherigen Stand seien.
Der Standort, mitten im Stadtzentrum, trägt bis heute zur Belebung der Fußgängerzone bei und motivierte sogar die benachbarten Geschäftsleute. Als „Dritter Ort“ ist die Stadtbücherei in der Bevölkerung anerkannt und wird rege genutzt. Ob es nun die Zusammenarbeit mit Schulen, Kindergärten und Vereinen ist, ob Babytreff oder Frauentreff.
Hier lernen Kinder ihre ersten Buchstaben, Jugendliche finden Inspiration, Erwachsene erweitern ihren Horizont und ältere Menschen entdecken neue Perspektiven. Es ist ein Ort der Begegnungen, ein Raum für Veranstaltungen und ein Zuhause für Ideen.
Gerade auch bei dem immer häufiger auftretenden Thema der Vereinsamung von Menschen ist so ein Ort von unschätzbarem Wert. Dieses zeigt sich immer wieder, wenn Alleinstehende einfach mal vorbeikommen, um die Zeitung zu lesen. Es ist ein echter „Dritter Ort“.
Fazit
Unsere Gemeindebücherei und spätere Stadtbücherei gibt es nun schon seit 72 Jahren. Die letzten 30 Jahre wurden wir vom Büchereiverein Schleswig-Holstein, bzw. dem Landesverband Bibliotheken SH e.V., begleitet. Der Aufwand für die Mitgliedschaft in diesem Verein besteht hauptsächlich in der Erarbeitung von Statistiken. Der Nutzen überwiegt bei Weitem den Aufwand. Neben Personalkostenzuschüssen und Zuschüssen zum Medienetat ist vor allem der Austausch, die tatkräftige Unterstützung, die Hilfe bei Fragen und das professionelle Miteinander auf Augenhöhe ein echter Gewinn. Laufende Fortbildungen im Büchereiwesen werden angeboten, Informationen zu Förderungen gegeben und alle Mitarbeitenden stehen mit Rat und Tat zur Verfügung. Oft bemängeln wir in der öffentlichen Verwaltung, dass es keine zentrale Anlaufstelle für Fragen und Problemlösungen gibt. Der Büchereiverein ist genau diese zentrale Stelle für die Büchereien. Schnell, unkompliziert und allumfassend wird jedes Problem angenommen und sich darum gekümmert.
Damit unsere Büchereien auch in Zukunft blühende Orte des Wissens, der Begegnung und des gesellschaftlichen Lebens bleiben, brauchen wir auch weiterhin die Unterstützung des Landesverbandes Bibliotheken SH e.V.
Die vergangenen 30 Jahre haben gezeigt, dass der Verein für die kommunalen Büchereien eine große Bedeutung hat. Ich wünsche dem Verein auch für die nächsten vielen Jahrzehnte eine erfolgreiche weitere Entwicklung und alles Gute.
Mehr zur Stadtbüchere Wahlstedt: https://www.wahlstedt.de/leben/kinderbetreuung-bildung/stadtbuecherei