Editorial

Chefredakteur Kristof Warda (Foto: Marie Jobst Photography)

Liebe Leserin, lieber Leser, diese Ausgabe ist geprägt von Verbindungslinien – räumlich, thematisch oder auch mal assoziativ. Die deutlichste ist sicherlich die Vogelfluglinie. Wir nehmen die Fähre „Übern Belt“, und erblicken schon erste Hinweise auf die kommende größte Baustelle Europas. Drüben angekommen, berichtet uns Morten Birk Jørgensen von aktuellen Debatten auf der Insel Møn. Am Beispiel einer umstrittenen Ferienhaussiedlung beobachtet er die Auswirkungen einer „Makroentscheidung“ – der festen Beltquerung – auf die lokale Gemeinschaft und vermutet, dass wir ähnliche Debatten und Interessenkonflikte auch in anderen Gemeinden und Regionen beiderseits des Belts erleben und noch erleben werden.

Von Møn ist es nicht mehr weit bis zum Øresund. Hier forschen wir nach, wie das wohl berühmteste dänische Kunstmuseum zu seinem Namen kam: Louisiana. Schließlich laden wir Sie zusammen mit der Kunstvermittlerin und Kopenhagen-Kennerin Annette Klockmann ein, die dänische Hauptstadt auf einer exklusiven Leserreise zu entdecken.

Wahrscheinlich werden wir dabei auch auf Anna Anchers Spuren wandeln. Sie lebte zeitweise in Kopenhagen, besuchte Kunstausstellungen und stellte selbst aus. Anna Ancher war, so ein Künstlerkollege, „in der dänischen Kunst die erste, die es richtig verstand, einen Sonnenstrahl einzufangen“. Ulrike Wolff-Thomsen vom Museum Kunst der Westküste bringt uns die einzige tatsächlich aus Skagen stammende Malerin der dortigen Künstlerkolonie näher und lädt die Leser*innen dieser Zeitschrift zu einem gemeinsamen Tag im Museum der Westküste mit Rundgang durch die kommende Ausstellung Sonne. Licht. Skagen. ein. Anna Ancher behauptete ihre Position als berufstätige Mutter entgegen den gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit. In einer immer noch durch patriarchalische Strukturen geprägten Gesellschaft behauptete sich knapp ein Jahrhundert später Ute Boeters und machte die Fotografie zu ihrem Beruf. Seit mehr als 40 Jahren ist ihr Atelier in Kiel Anlaufstelle für die Künstlerinnen und Künstler im Land, für Werkfotografien und Porträts. So porträtierte sie zum Beispiel den im September 2021 verstorbenen Ulrich Behl, dessen Werk Uwe Haupenthal 48 würdigt. Sie porträtierte auch den 1984 verunglückten Maler Harald Duwe, auf dessen im Kreis Stormarn geschaffene Werke sich Johannes Spallek exemplarisch konzentriert, wenn er der Frage nachgeht, wie es um Erhalt und Pflege von vorhandenen Kunst-am-Bau-Projekten im Land steht. Viele der von ihr im Laufe der Jahre porträtierten Künstlerinnen hat Ute Boeters für ein Ausstellungsprojekt erneut aufgesucht. Entstanden sind faszinierende Zeugnisse der Schleswig-Holsteinischen Kunstszene.

Touristische Interessen- und Nutzungskonflikte, wie Morten Birk Jørgensen sie auf Møn beobachtet, spricht Maria Grewe-Grimmelsmann – unabhängig von der Beltquerung – für ganz Schleswig-Holstein an: Dabei stellt sie in ihrer Kolumne fest, dass es die Lösung für den nachhaltigen Tourismus nicht geben kann, sondern vielmehr viele lokale Lösungen gefunden werden müssen. Die rasante Entwicklung St. Peter-Ordings „vom Armenhaus zum Badeparadies“ lief mit Sicherheit auch nicht konfliktlos ab. Nachzuvollziehen ist sie im Museum Landschaft Eiderstedt. Dorthin nimmt uns Birthe Dierks mit. Sie trifft sich auf eine Tasse Kaffee mit Claus Heitmann, dem Vollblutehrenamtler und Vorsitzenden des Museums-Trägervereins.

Von St. Peter-Ording über Stormarn bis Skagen, von den Karawanken über Kiel bis Kopenhagen, vom 19. Jahrhundert über die Gegenwart bis in die Zukunft. In dieser Ausgabe vermessen wir den Norden neu und stellen fest: Kultur, das ist ein Netz von Bezügen und Verbindungen, klein und groß, deutlich und unscheinbar, und vor allem grenzenlos, durch den Raum und durch die Zeit.

Viel Spaß beim Lesen und Entdecken,

Ihr Kristof Warda

k.warda@schleswig-holstein.sh