Lars-Erik Bethge – Rückgrat. Peter und Holger Hattesen

Das Fotostudio Hattesen gehörte über zwei Generationen zum Stadtbild der Flensburger Innenstadt. Lars-Erik Bethges Buch über Leben und Wirken von Peter und Holger Hattesen in der Deutsch-Dänischen Grenzregion im Laufe des bewegten 20. Jahrhunderts stellt Kristof Warda vor.

Nur noch der Schriftzug „Hattesen“ am Gebäude Holm 76 in Flensburgs bester Lage erinnert an die gleichnamige Kunsthandlung, die über Jahrzehnte zum Stadtbild gehörte. Sie wurde 1931 als „Kunst- und Lichtbildkabinett“, als Kunsthandlung und Fotostudio, von Peter Hattesen gegründet, und in vielen Flensburger Familienalben finden sich sicherlich heute noch hier entstandene Portraitfotos. 1971 übernahm Peters Sohn, der Künstler Holger Hattesen, das Geschäft und machte es zur reinen Kunsthandlung. Sein Nachfolger Dr. Peter Goeritz verlegte 2014 den Hauptsitz des Kunsthandels Hattesen nach Köln. In Flensburg blieb der Schriftzug am Gebäude – und die vielen Spuren, die das Wirken von Peter und Holger Hattesen hinterließen.

Lars Erik Bethge hat diese Spuren nun zusammengetragen und gewährt anhand der Biographien, der fotografischen und malerischen Werke dieser beiden Persönlichkeiten faszinierende Einblicke in das Leben in der Grenzregion im so bewegten 20. Jahrhundert. Zuerst ist da Peter – traumatisiert – und politisiert – aus dem Großen Krieg zurück, baut er sich eine Existenz auf. Dann Wirtschaftskrise. Er scheitert, schlägt sich durch, fängt neu an. Trotz wirtschaftlicher Sorgen und offensichtlicher Benachteiligung knickt er nicht ein, leistet Widerstand gegen die Nationalsozialisten und setzt sich nach dem Krieg für eine Wiedervereinigung Südschleswigs mit Dänemark ein. Dann Holger, der sich der Verantwortung stellt, das Familiengeschäft weiterzuführen, anstatt sich voll und ganz der Malerei zu widmen. Sein Werk ist dennoch reichhaltig und vielfältig. In seinen Karikaturen kommentiert er kri-tisch das Zeitgeschehen, in seinen Bildern bannt er auf Spanplatte, was andere nicht als bildwürdig erachten: Auf seinen Landschaften wird Gülle ausgebracht, auf seinen Stadtansichten liegt Müll im Vordergrund, bei seinen herbstlichen Gebäudeansichten ist blattloses Gestrüpp im Weg, und sein Blick auf Ekensund an der Flensburger Förde – einst bekannte Künstlerkolonie – zeigt nur noch die Ruine einer früher wohl vielgemalten Ziegelei.

Der Titel des Buches „Rückgrat“ mag dem ein oder anderen zu persönlich, zu pathetisch daherkommen. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Lars Erik Bethge mit seiner Doppelbiografie einen großen Schatz der deutsch-dänischen Geschichte gehoben und uns zugänglich gemacht hat. Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Fotografien von Peter, die einen Einblick ins historische und ins nazideutsche Flensburg geben, den zuerst abstrakten, später un-geschönt realistischen Bildern von Holger und des erschütternden Berichtes aus den letzten Kriegswochen seines als Soldaten eingezogenen älteren Bruders Jürgen. Die Message des Buches, expliziert in der Widmung auf der allerersten Seite, sollten wir ins Deutsch-Dänische Jubiläumsjahr mit – und uns allen zu Herzen nehmen: Unangepasstheit ist eine wichtige demokratische Tugend. //

Kristof Warda

Lars Erik Bethge: Rückgrat. Peter und Holger Hattesen. Zwei illustrierte Biografien des 20. Jahrhunderts
ISBN 987-3-00-064007-0
https://hattesen.de/buch/