Kulturpolitischer Wunschzettel

Martin Lätzels Ana[B]log

Wenn diese Ausgabe bei Ihnen auf dem Tisch liegt, sind die Koalitionsverhandlungen für die neue Bundesregierung wohl abgeschlossen. So mögen die folgenden Gedanken und Ideen weniger als Kriterienkataloge für Verhandlungen dienen. Vielmehr stellen sie einen Wunschzettel für die Kulturpolitik der neuen Bundesregierung dar.

  1. Aus meiner Sicht ist Kulturpolitik mehr als Kunstförderung. Kultur ist, wie wir zusammenleben und wie wir unsere Gesellschaft reflektieren und entwickeln. Die Kunst und die kulturelle Infrastruktur sind dafür aus meiner Sicht zentrale Resonanzräume und Ressourcen der Gesellschaft. Wir brauchen die gemeinsame Selbstvergewisserung dringend.
  2. Die digitale Transformation stellt einen eklatanten und umfassenden Kulturwandel dar. Deswegen benötigt das Land eine aktive Digitalpolitik genauso wie eine Kulturpolitik, die die Formulierung digitaler Strategien unterstützt, um eine neue Relevanz der kulturellen Infrastruktur zu erreichen und ein Ausufern digitaler Totalität zu verhindern.
  3. Wir brauchen Diskurs- und Begegnungsräume, Dritte Orte, um die Auseinandersetzung zu zivilisieren. Dafür sind Kultureinrichtungen prädestiniert und sollten darin unterstützt werden.
  4. Nachhaltigkeit ist ein Gebot der Stunde. Dafür könnte die kulturelle Infrastruktur Avantgarde sein. Hier ist noch viel Luft nach oben, bundesweite Förderprogramme können da sicherlich helfen, um Strukturen zu ändern.
  5. Die Welt ist schneller geworden und stellt flexiblere Anforderungen. Um auf die gesellschaftlichen Herausforderungen zu reagieren, braucht es neue Formen der Finanzierung. Die Kulturförderung sollte agiler werden und Fehler zulassen, um Innovationen zu ermöglichen.
  6. Wir brauchen eine gute Balance zwischen Kulturföderalismus, der Arbeit in den Kommunen, Vernetzung aller Ebenen und Unterstützung durch den Bund.

Kultureinrichtungen sind Teil der Daseinsvorsorge. Dieses Verständnis muss wachsen, wenn wir gemeinsam die digitale Transformation, Nachhaltigkeit, Vielfalt, gute Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern, Diskurs und Zusammenhalt sowie Reflexion gestalten wollen. Dafür benötigen wir auf allen Ebenen eine aktive Kulturpolitik, die mehr Querschnitt als Nische ist, die Konzepte unterstützt, überlegt, überarbeitet. Diese Gedanken gelten auch den Kultureinrichtungen. Sie müssen raus aus der oft selbstgewählten Ecke, rein ins Leben, sichtbar werden und selbstbewusst eigene Ideen vertreten und neue Ideen wagen. Ihr könnt was und habt etwas zu sagen! Vor allem Mut zu neuen Wegen entwickeln, Wandel aktiv gestalten.

Martin Lätzel