I Über das Wesen von Kunst
II Die Anfänge des BBK
III Strukturelle Herausforderungen
IV Die letzten Jahre
I Über das Wesen von Kunst:
Man muss nur schauen, was das „y“ ausmacht
Eines haben alle Künstler:innen gemeinsam: Sie erzeugen, bilden, gestalten eine Sache für die Welt, die in Menschen etwas auslöst ohne dabei einem konkreten Zweck zu dienen. Der Schaffensprozess ist dabei frei von äußeren gesellschaftlichen Erwartungen, bis sein Ergebnis in die Gesellschaft überführt wird. Die Freiheit der Kunst ist ein Grundrecht. So steht es in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Kunst ist also frei. Aber gilt das auch für die Künstler:innen? Gilt das auch für das Kunstwerk? Oder unterliegen erstere nicht einer gewissen Verpflichtung und letzteres einem bestimmten Zweck? Ist es nicht vielmehr nur der Ausdruck selbst, dem die Freiheit bleibt? Man kommt nicht umhin, sich an dieser Stelle auch mit der Frage nach dem Wesen von Kunst überhaupt zu beschäftigen. Was ist Kunst? Wer legt das fest? Gut, dieser Diskussion haftet zweifellos inzwischen ein inflationärer Charakter an. Für den Diskurs um die Positionierung kulturellen Schaffens in einer Gesellschaft sollte ein Blick auf das Wesen des Diskussionsgegenstandes jedoch immer erlaubt sein.

Der amerikanische Philosoph Arthur Colemann Danto, dem das KUNSTFORUM International in seinem 100. Band, das unter dem Titel „Kunst und Philosophie“ erschienen ist, neben Theoretikern wie Theodor W. Adorno oder Friedrich Nietzsche beträchtlichen Platz einräumte, hat seine Analyse zu dieser Frage bis in die noch so kleinsten Winkel und Wendungen getrieben. Um dem Wesen der Kunst nachzuspüren, hat sich Danto mit der durchaus berechtigten Frage beschäftigt, was einen Alltagsgegenstand zur Kunst machen kann, während ein anderer, ihm genau gleicher, kein Kunstwerk ist. Den Ursprung dieser Problematik sieht der Philosoph bei den Ready-mades bzw. Objekt trouvé, also jener Art Kunstwerke, die seit dem beginnenden 20. Jahrhundert aus alltäglichen Gegenständen und Fundstücken bestanden, wie beispielsweise der Marcel Duchamp zugeschriebenen Arbeit „Fountain“ von 1917 – einem signierten Urinal.

Zugegeben: Danto geht beim Nachspüren der sich daraus ergebenen Neuausrichtung des Kunstbegriffes stark analytisch vor. Dennoch entwickelt er ein paar interessante Gedankenspiele, die sogar ein wenig Spaß machen. Dabei hat er sich an der Handlungstheorie Ludwig Wittgensteins und seiner Nachfolger orientiert. Eine Handlung ist demnach nicht identisch mit der bloßen Körperbewegung. Wenn ich den Arm hebe, weil mich eine Biene gestochen hat, oder ich hebe die Hand auf genau die gleiche Weise zum Hitlergruß, ist die Handlung jeweils eine andere. Demnach ist eine Handlung – und erst die Wittgensteinnachfolger haben dies so expliziert – eine Körperbewegung plus x. Danto führt in seiner Abhandlung „Die Verklärung des Gewöhnlichen“ eine Analogie zu dieser Handlungstheorie ein. Ein Kunstwerk ist demnach ein gegenständliches oder nichtgegenständliches Material plus y. Man müsse jetzt also nur schauen, was das y ausmacht. Er wirft nun eine Reihe von Überlegungen auf, die ich ganz kurz anhand eines frei gewählten Beispiels erläutern will: Das Kunstwerk mit dem Titel „Gouda“ sieht aus wie ein Stück Käse. Was macht also „Gouda“ zu einem zweifelsohne zweifelhaften Kunstwerk, während der Käse im Supermarkt einfach nur ein Gouda ist? Die Schöpferin von „Gouda“ ist übrigens die wenig erfolgreiche Künstlerin namens Klara van der Alm. Nach Danto könnte man jetzt einige Theorien um die Kunst wie folgt abfragen: Erstens könnte es sich bei „Gouda“ nur deshalb um ein Kunstwerk handeln, weil es sich bei van der Alm um eine Künstlerin handelt. Danto sagt aber, dass das nicht das Kriterium sein könne, weil dann auch ein Häufchen auf der Wiese von ihr ein Kunstwerk wäre. Zweitens könnte man einwerfen, es handele sich um einen bestimmten Ausdruck der Künstlerin. „Gouda“ wäre der Ausdruck von Wut auf die Massentierhaltung in unserer Gesellschaft. Auch dieses Argument negiert Danto, denn man könne sich auch Ausdrücke vorstellen (wie zum Beispiel das Weinen), die keine Kunst sind. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Erklärungs- bzw. Definitionsversuche, die der Philosoph nach und nach abprüft. Zum Schluss jedenfalls befasst sich Danto mit der sogenannten Institutionstheorie und versucht, sich auch hiergegen zu wehren, indem er sagt, dass es durchaus vorstellbar ist, dass ein noch nicht in den institutionellen Rahmen gebrachtes Kunstwerk irgendwo auf der Welt existieren könnte und auch ohne diesen Kontext eines wäre.