Freitag, 29. September 2023

Zum 75. Geburtstag des BBK-Schleswig-Holstein

Über die Kunst und ihren Berufsverband

KulturzeitschriftÜber die Kunst und ihren Berufsverband

I Über das Wesen von Kunst
II Die Anfänge des BBK
III Strukturelle Herausforderungen
IV Die letzten Jahre

I Über das Wesen von Kunst:

Man muss nur schauen, was das „y“ ausmacht

Eines haben alle Künstler:innen gemeinsam: Sie erzeugen, bilden, gestalten eine Sache für die Welt, die in Menschen etwas auslöst ohne dabei einem konkreten Zweck zu dienen. Der Schaffensprozess ist dabei frei von äußeren gesellschaftlichen Erwartungen, bis sein Ergebnis in die Gesellschaft überführt wird. Die Freiheit der Kunst ist ein Grundrecht. So steht es in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Kunst ist also frei. Aber gilt das auch für die Künstler:innen? Gilt das auch für das Kunstwerk? Oder unterliegen erstere nicht einer gewissen Verpflichtung und letzteres einem bestimmten Zweck? Ist es nicht vielmehr nur der Ausdruck selbst, dem die Freiheit bleibt? Man kommt nicht umhin, sich an dieser Stelle auch mit der Frage nach dem Wesen von Kunst überhaupt zu beschäftigen. Was ist Kunst? Wer legt das fest? Gut, dieser Diskussion haftet zweifellos inzwischen ein inflationärer Charakter an. Für den Diskurs um die Positionierung kulturellen Schaffens in einer Gesellschaft sollte ein Blick auf das Wesen des Diskussionsgegenstandes jedoch immer erlaubt sein.

Alter Deichkäse, 12 Monate gereift. Ausgezeichnet mit dem World Cheese Award 2022/23. 
Mit freundlicher Genehmigung der Rohmilchkäserei Backensholz GmbH & Co. KG. © Björn Weinbrandt
Ist das Kunst oder Käse?

Der amerikanische Philosoph Arthur Colemann Danto, dem das KUNSTFORUM International in seinem 100. Band, das unter dem Titel „Kunst und Philosophie“ erschienen ist, neben Theoretikern wie Theodor W. Adorno oder Friedrich Nietzsche beträchtlichen Platz einräumte, hat seine Analyse zu dieser Frage bis in die noch so kleinsten Winkel und Wendungen getrieben. Um dem Wesen der Kunst nachzuspüren, hat sich Danto mit der durchaus berechtigten Frage beschäftigt, was einen Alltagsgegenstand zur Kunst machen kann, während ein anderer, ihm genau gleicher, kein Kunstwerk ist. Den Ursprung dieser Problematik sieht der Philosoph bei den Ready-mades bzw. Objekt trouvé, also jener Art Kunstwerke, die seit dem beginnenden 20. Jahrhundert aus alltäglichen Gegenständen und Fundstücken bestanden, wie beispielsweise der Marcel Duchamp zugeschriebenen Arbeit „Fountain“ von 1917 – einem signierten Urinal.

Marcel Duchamp: Fountain, 1917. Foto: Alfred Stieglitz.

Zugegeben: Danto geht beim Nachspüren der sich daraus ergebenen Neuausrichtung des Kunstbegriffes stark analytisch vor. Dennoch entwickelt er ein paar interessante Gedankenspiele, die sogar ein wenig Spaß machen. Dabei hat er sich an der Handlungstheorie Ludwig Wittgensteins und seiner Nachfolger orientiert. Eine Handlung ist demnach nicht identisch mit der bloßen Körperbewegung. Wenn ich den Arm hebe, weil mich eine Biene gestochen hat, oder ich hebe die Hand auf genau die gleiche Weise zum Hitlergruß, ist die Handlung jeweils eine andere. Demnach ist eine Handlung – und erst die Wittgensteinnachfolger haben dies so expliziert – eine Körperbewegung plus x. Danto führt in seiner Abhandlung „Die Verklärung des Gewöhnlichen“ eine Analogie zu dieser Handlungstheorie ein. Ein Kunstwerk ist demnach ein gegenständliches oder nichtgegenständliches Material plus y. Man müsse jetzt also nur schauen, was das y ausmacht. Er wirft nun eine Reihe von Überlegungen auf, die ich ganz kurz anhand eines frei gewählten Beispiels erläutern will: Das Kunstwerk mit dem Titel „Gouda“ sieht aus wie ein Stück Käse. Was macht also „Gouda“ zu einem zweifelsohne zweifelhaften Kunstwerk, während der Käse im Supermarkt einfach nur ein Gouda ist? Die Schöpferin von „Gouda“ ist übrigens die wenig erfolgreiche Künstlerin namens Klara van der Alm. Nach Danto könnte man jetzt einige Theorien um die Kunst wie folgt abfragen: Erstens könnte es sich bei „Gouda“ nur deshalb um ein Kunstwerk handeln, weil es sich bei van der Alm um eine Künstlerin handelt. Danto sagt aber, dass das nicht das Kriterium sein könne, weil dann auch ein Häufchen auf der Wiese von ihr ein Kunstwerk wäre. Zweitens könnte man einwerfen, es handele sich um einen bestimmten Ausdruck der Künstlerin. „Gouda“ wäre der Ausdruck von Wut auf die Massentierhaltung in unserer Gesellschaft. Auch dieses Argument negiert Danto, denn man könne sich auch Ausdrücke vorstellen (wie zum Beispiel das Weinen), die keine Kunst sind. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Erklärungs- bzw. Definitionsversuche, die der Philosoph nach und nach abprüft. Zum Schluss jedenfalls befasst sich Danto mit der sogenannten Institutionstheorie und versucht, sich auch hiergegen zu wehren, indem er sagt, dass es durchaus vorstellbar ist, dass ein noch nicht in den institutionellen Rahmen gebrachtes Kunstwerk irgendwo auf der Welt existieren könnte und auch ohne diesen Kontext eines wäre.

Weiterlesen ...?

Um den gesamten Artikel lesen zu können, buchen Sie bitte unser monatlich kündbares Online-Abo oder bestellen Sie die Print-Ausgabe in unserem Kiosk.

Schon gewusst?

Auch als Print-Abonnent*in der Kulturzeitschrift Schleswig-Holstein erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln auf unserer Internetseite. Sie sind Abonnent*in und haben noch keinen Online-Zugang? Dann senden Sie uns eine Mail mit Ihrer Abo-Nummer an info@schleswig-holstein.sh und wir richten es Ihnen ein.

 

Weitere Artikel

Editorial

NordArt-Länderfokus Türkei, Doris Runge im Interview, Mona Harry auf Radtour, 75 Jahre Landeskulturverband und Berufsverband bildender Künsterinnen & Künstler, Das Theaterkostüm im Wandel der Zeit - Chefredakteur Kristof Warda stellt die neue Ausgabe vor.

„Zuhause ist ein großes Wort“

Der Länderschwerpunkt des Literatursommers Schleswig-Holstein 2023 liegt in diesem Jahr auf den Niederlanden. Olaf Irlenkäuser wirft einen Blick auf die Gegenwartsliteratur unseres Nachbarlandes.

Liebeserklärung an ein meerumschlungenes Land

Doris Runge gehört zu Schleswig-Holstein. Seit Jahrzehnten bewahrt und belebt sie das „Weiße Haus“ in Cismar als literarisches Zentrum, ein kleines zeitgenössisches Emkendorf am Ostseestrand. Als Lyrikerin gehört sie zu den profiliertesten in Deutschland. Sie ist mit zahlreichen Preisen geehrt worden, unter anderem ist sie Ehrenprofessorin des Landes. Für die Kulturzeitschrift Schleswig-Holstein stand sie für ein Interview zur Verfügung.

Artikel aus den letzten Ausgaben

Letzter Abend

Ein Gespräch mit Regisseur Lukas Nathrath und Schauspielerin Susanne Dorothea Schneider Der Abend versprach eine rührende Abschiedsparty zu werden: Clemens,...

Editorial

NordArt-Länderfokus Türkei, Doris Runge im Interview, Mona Harry auf Radtour, 75 Jahre Landeskulturverband und Berufsverband bildender Künsterinnen & Künstler, Das Theaterkostüm im Wandel der Zeit - Chefredakteur Kristof Warda stellt die neue Ausgabe vor.

„Zuhause ist ein großes Wort“

Der Länderschwerpunkt des Literatursommers Schleswig-Holstein 2023 liegt in diesem Jahr auf den Niederlanden. Olaf Irlenkäuser wirft einen Blick auf die Gegenwartsliteratur unseres Nachbarlandes.

Liebeserklärung an ein meerumschlungenes Land

Doris Runge gehört zu Schleswig-Holstein. Seit Jahrzehnten bewahrt und belebt sie das „Weiße Haus“ in Cismar als literarisches Zentrum, ein kleines zeitgenössisches Emkendorf am Ostseestrand. Als Lyrikerin gehört sie zu den profiliertesten in Deutschland. Sie ist mit zahlreichen Preisen geehrt worden, unter anderem ist sie Ehrenprofessorin des Landes. Für die Kulturzeitschrift Schleswig-Holstein stand sie für ein Interview zur Verfügung.

Es ist angerichtet: zeitgenössische Kunst im Schloss Eutin

Schloss Eutin ist ein wunderschöner Ort. Seine Jahrhunderte alten Mauern, die Farben der Räume, die Gemälde und Möbel, die...

Reisetagebuch einer Fahrradtour durch Stormarn

Stormarn. Nirgendwo bin ich öfter Rad gefahren als hier in der Gegend. Auch als ich schon in Hamburg wohnte...

Unter Göttern und Dämonen

Vergessen und verstaubt – so lagerten jahrzehntelang Kopien der ethnographischen Dokumentarfilme mit Spielfilmhandlung "Die Insel der Dämonen" (1933) und "Die Kopfjäger von Borneo" (1936) in einer Holzkiste im Pferdestall und im Keller des Herrenhauses von Gut Wahlstorf. Auf dem Dachboden fanden sich zudem ein verschlossener Lederkoffer. Darin ein Konvolut an Dokumenten, Briefen und Fotos, die zu den Filmen gehörten. Louise von Plessen rekonstriuerte die Geschichte der beiden Filme.

„Kunst hat keine Grenzen“ – Interview mit Kemal Tufan

Der diesjährige Länderfokus der NordArt liegt auf der Türkei. Mit der Auswahl der Kunstwerke für den türkischen Pavillon will der Kurator Kemal Tufan den Menschen Hoffnung und Freude bringen. Im Gespräch mit Chefredakteur Kristof Warda erklärt er, warum zeitgenössische Kunst keine Grenzen kennt, Freude eine Entscheidung und kuratieren wie das Mixen eines Cocktails ist.

Curator Kemal Tufan: “Art has no Borders”

This year´s national focus at NordArt is on Turkey. With his selection of artworks for the Turkish Pavilion, Curator Kemal Tufan wants to bring hope and joy to the people. To editor-in-chief Kristof Warda, he explained why contemporary art has no borders, happiness is a choice and curating is like mixing a cocktail.

Die Kulturzeitschrift abonnieren

Meistgelesen

Mahlzeit, Erstmal, Moin. Grüße in Nordfriesland und anderswo

Jeder kennt „Mahlzeit“ und „Moin“ als Gruß – zumindest in Norddeutschland; die Verabschiedung „Erstmal“ ist schon südlich von Eider und Nord-Ostsee-Kanal seltener. Wo kommen diese Grußformeln her und wie werden sie gebraucht? LANDRAT in...

Die Schule für Schauspiel in Kiel – private Berufsfachschule und kreativer Kulturort

Ob als freie Schauspieler, feste Ensemblemitglieder oder als Regisseure. Ihre Absolvent*innen bereichern die Theaterszene nicht nur in Kiel und im Land. Rolf Peter Carl stellt die einzige Schauspielschule in Schleswig-Holstein vor.

Die gängigsten Spechtarten in Schleswig-Holstein

Diese Spechtarten können Sie in den Wäldern Schleswig-Holsteins entdecken

Heimat. Begriff und Gefühl – am Beispiel der Gebrüder Grimm

Der Begriff "Heimat", wie wir ihn heute benutzen, entwickelte sich erst in der Romantik, seit Ende des 18. Jahrhunderts.

Tanne – Abies

Welf-Gerrit Otto betrachtet die Tanne im Spiegel von Mythologie und Volksglaube - und zeigt, wie die Wildpflanze in der Küche verwendung finden kann ...

Gut Panker: Vom Rittersitz zur Gutsgemeinschaft

Panker heute – das ist eine Gemeinde im Landkreis Plön, Amt Lütjenburg, 22.76 qkm, etwa 1500 Einwohner. Das gewöhnliche gelbe Ortsschild lässt von einem „Gut“ Panker nichts erkennen, aber der interessierte Tourist stößt...

Nachgelesen: Das bewegte Leben der Lotti Huber

Lotti Huber war eine Künstlerin. Sie war eine Lebenskünstlerin. In einschlägigen Artikeln wird sie als Schauspielerin, Sängerin, Tänzerin und avantgardistische Künstlerin bezeichnet. Übersetzerin und Schriftstellerin war sie auch. Martin Lätzel über das bewegte Leben der gebürtigen Kielerin.

(Un)bekannte Moderne: Die BEWOBAU-Siedlung von Richard Neutra in Quickborn

Die Architektur-wissenschaftler Barbara von Campe, Eva von Engelberg-Dockal und Johannes Warda sprechen über die BEWOBAU-Siedlung von Richard Neutra und die Moderne im Allgemeinen

Die aktuelle Ausgabe