Samstag, 27. April 2024

Es geht um die Sache!

KulturzeitschriftEs geht um die Sache!

40 Jahre sind ein guter Grund feiernd zurückzublicken. Dies dürfen jedoch andere tun. Mein Blick richtet sich auf die Gegenwart und – soweit dies ohne Kristallkugel möglich ist – auf die Zukunft der Pilkentafel.

Anne Schneider, die sich im Kontext des Archivprojekts sehr intensiv mit der Vergangenheit der Pilkentafel beschäftigt hat, hat von den vielen Geschichten geschrieben, die man über die vergangenen 40 Jahre erzählen könnte. Auch die Zukunft, die kommenden 40 Jahre der Pilkentafel, wird viele Geschichten schreiben, die erzählenswert sein werden, da bin ich mir sicher! Ich werde mich qua meines Amtes und Auftrags auf die strukturellen und die kulturpolitischen Zukunftsgeschichten konzentrieren.

Ich schreibe hier, da ich mich im Rahmen eines kleinen Gutachtens mit möglichen Zukünften des Hauses auseinandersetze. Ich habe mich dafür nicht nur in Sachberichte und Verwendungsnachweise vertieft, sondern auch mit rund 20 Menschen gesprochen, die die Pilkentafel aus verschiedenen Perspektiven gut kennen. In Flensburg und weit über Flensburg hinaus. Live, per Telefon und in der Videokonferenz. Herausgekommen ist natürlich keine lückenlose und absolute Wahrheit, aber doch eine umfassende und multiperspektivisch gespeiste Analyse der aktuellen Entwicklungen, Chancen und auch der Gefahren.

Meine Perspektive ist dabei gleichzeitig eine Außen- und eine Innenperspektive: Ich bin keine Flensburgerin, habe nie in Schleswig-Holstein gelebt und nie für die Pilkentafel gearbeitet. Ich bin auch keine Künstlerin. Aber ich bin im Hauptberuf Interessensvertreterin für die Freien Darstellenden Künste, ich bin Geschäftsführerin des NRW Landesbüros Freie Darstellende Künste und seit vielen Jahren Teil des Vorstands des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste (BFDK). Das ist übrigens auch der Grund, warum ich Elisabeth Bode intensiver kennengelernt habe, wir waren ein paar Jahre gemeinsam in diesem Vorstand. Gekannt haben wir uns allerdings schon vorher; aus meiner Zeit als Geschäftsführerin des Landesverbandes Freier Theater in Niedersachsen – ich habe dort ab 2013 (bis 2019) gearbeitet. Und Schleswig-Holstein hatte damals gerade erst seinen eigenen Landesverband gegründet. Viele der Kolleg:innen waren vorher als „Notfalllösung“ dem niedersächsischen Verband assoziiert und blieben das auch noch eine Weile. Das für sich erzählt auch schon etwas darüber, was es nicht gab und was nun glücklicherweise existiert und wächst. Aber ich schweife ab und beschäftige mich doch mit der Vergangenheit. Zurück zu meiner aktuellen Perspektive, die, wie geschildert, von außen und innen zugleich kommt, ohne direkte Verbindung mit dem Haus habe, aber eben doch mit sehr guter Kenntnis der Szene. Deshalb habe ich auch einem Blick dafür, welche Fragen hier spezifisch verhandelt werden, speziell für die Pilkentafel und Flensburg, und welche stärker im Kontext der Historie der Freien Darstellenden Szene insgesamt stehen, gesamtstrukturelle Entwicklungen widerspiegeln und deswegen gesamtstrukturell gelöst werden müssen. Es ist schwer, all diese Stimmen, Gedanken und Ideen, die mir begegnet sind, auf nur wenige Nenner zu subsumieren und hier mündlich vorzustellen. Ich versuche aber dennoch gerne, ein paar der wesentlichsten Punkte und Gedanken, die mir begegnet sind, mit euch und Ihnen zu teilen. Es geht um die Sache Ein erster Punkt, den ich in vielen Gesprächen hörte, wenn ich fragte „Was fällt euch/Ihnen zur Pilkentafel zuerst ein?“, war eine Assoziation von stetiger Bewegung und die Beschreibung einer außergewöhnlichen Fähigkeit, sich zu wandeln, ohne sich im Wesenskern zu verändern. „Es geht immer konsequent um die Sache“, war auch ein Satz, den ich so oder so ähnlich mehrfach hörte. Und um diese Sache(n) herum werden dann Strukturen gesponnen, in denen Ideen umsetzbar werden. Menschen dürfen hier mitreden – unabhängig davon, welche Rolle und welche formale Ausbildung sie haben. Dabei werden dann auch einmal Kinder zu Dramaturg:innen. Es geht eben um die Sache, und die wird außerordentlich ernst genommen. Am Ende entsteht dann wieder ein akkurates und professionelles Produkt, nicht, obwohl viele mitreden, sondern weil viele mitreden. Aber auch, weil am Ende des Prozesses eine Expertise steht, die die Fäden zusammenführt und die Sache mit professionellem Blick schärft. Das ist eine der besonderen Qualitäten der Pilkentafel!

Der Text basiert auf Ulrike Seybolds Rede anlässlich der Feier zum 40. Jubiläum der Theaterwerkstatt Pilkentafel am 13. September 2023 in Flensburg.

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