„Kunst entsteht im Kopf und im Bauch“, sagt Bernhard Schwichtenberg in seinem Vorwort und sagt damit schon alles: Der künstlerische Schaffensprozess ist nicht zu greifen. Künstlerisches Schaffen, Kreativität, sind nicht zu begreifen - egal mit welcher Wissenschaft - wir können diesen Prozess nur umkreisen – nur das sichtbare beschreiben. In den letzten Jahrzehnten wird verstärkt versucht, den Prozess urbar zu machen, ihn zu institutionalisieren, ihn mess- und berechenbar zu machen, ihn zu ökonomisieren. Es wird versucht, günstige Bedingungen und förderndes Umfeld zu schaffen – durch flexible Arbeitszeiten, durch konventionelle Büroatmosphären sprengende Architekturen und Strukturen. Stichwort Kreativwirtschaft.
Künstlerinnen und Künstler schaffen sich dieses Umfeld selbst. Mit den gut 50 Portraits Schleswig-Holsteiner Künstler in diesem Buch verschafft uns der Fotograf Hayo Heye durch seine Linse hindurch Einblick in diese. Dabei geht er jedoch nicht dokumentarisch vor: Seine Bilder sind selbst Kunst, inszenieren sie doch die KünstlerInnen in ihren Schaffensumfeldern und dokumentieren mehr Künstlerpersönlichkeit als Schaffensprozess. Rückschlüsse auf Arbeitsweisen, auf bevorzugte Arbeitsatmosphären, lassen die Fotografien dennoch zu: Asketisch-steril oder kreativ-chaotisch? Arbeitsam-fokussiert oder „ins Leben integriert“? Umgeben sich die KünstlerInnen mit Büchern, Plattensammlungen oder sonstigen Sammlungen? Hören sie Musik bei der Arbeit oder arbeiten sie in der Stille? Ist Ablenkung Inspiration oder muss sie minimiert werden?
Aber: Lässt das geschaffene Arbeitsumfeld Rückschlüsse auf die dort entstehenden Werke zu? Kommt aufgeräumte Kunst aus aufgeräumten Ateliers? Kann minimalistische Kunst im kreativen Chaos entstehen? Vielleicht ist das zu einfach gefragt. Wahrscheinlich gibt es keinen direkten Weg vom künstlerischen Umfeld zum Werk. Hayo Heyes eingefangenen Einblicke in die Ateliers Schleswig-Holsteinischer Künstler führen vor Augen, wie subjektiv, wie individuell die „richtigen Bedingungen“ für kreatives Schaffen doch sind.
In diesem Sinne könnte das Buch einen Untertitel vertragen: Wo Kunst entsteht. Eine Annäherung. Eine anregende allerdings.
Kristof Warda