FH Kiel: Kunstbunker und Mediendom

Ein Hochschulcampus auf dem Kieler Ostufer als Kulturinsel

„Hier wird malocht – der Geist bleibt draußen“. Diese kaltschnäuzige Maxime wird Wilhelm II. zugeschrieben. Sie galt dem Kohle- und Stahlrevier an der Ruhr; dort sollte es weder Hochschulen, noch große Kulturinstitutionen wie Theater, Kunstmuseen oder Orchester geben. Für Dietrichsdorf, einst Zentrum der Werftindustrie und der Rüstungsproduktion, hätte der Kaiser wohl den gleichen Kommentar parat gehabt. Eine Hochschule auf dem Gelände der HDW, eine „Kulturinsel“ im Arbeiterstadtteil – das war nicht nur zu Kaisers Zeiten unvorstellbar, erneut – und erst recht – nach der Zerstörung des „Reichskriegshafens“ Kiel samt Werft- und Rüstungsbetrieben 1945.

Und doch: wo mehr als ein Jahrhundert lang schwer „malocht“ wurde – erst vorwiegend zu militärischen Zwecken, dann im Dienst der zivilen Schifffahrt – und alles „Geistige“ außen vor blieb, da bereiten sich heute über 7000 Studierende in sechs Fachbereichen der Fachhochschule Kiel auf ihren Beruf vor und ihr Campus hat ein ganz eigenes Gepräge: der Geist, das kulturelle Flair bestimmt und durchdringt die Außenanlagen ebenso wie das Innere der Hörsaal- und Seminargebäude.

Die Vorgeschichte der „Kulturinsel“ reicht weit zurück. Schien in den 50er und 60er Jahren der wirtschaftlich-industrielle Aufschwung auch auf dem Ostufer gelungen zu sein, so war ihm doch vierzig Jahre nach Kriegsende der Atem ausgegangen. HDW musste 1983 aufgeben, die elektrotechnische Firma Rudolf Hell verlagerte ihren Betrieb 1988 und einige Zeit später war auch die Holsatia-Mühle am Ende – der Stadtteil Neumühlen-Dietrichsdorf verkam zur Industriebrache.

Aber das Gelände der ehemaligen Großwerft hatte sich die Stadt Kiel rechtzeitig gesichert. Bereits zwanzig Jahre früher war auf der Landesebene eine andere Entscheidung gefallen, ohne dass damals irgendjemand vorausgesehen hätte, dass sich aus dieser und der späteren Ankaufentscheidung mal eine ganz neue städtebauliche und bildungspolitische Perspektive ergeben würde: die Landesregierung gründete die „Fachhochschule Kiel“ als Zusammenschluss mehrerer staatlicher Ingenieur- und Höheren Fachschulen, deren Standorte über das Stadtgebiet verteilt waren, teils sogar in Eckernförde und Rendsburg lagen. Sie sollte sechs Fachbereiche bilden – Agrarwirtschaft (weiterhin in Osterrönfeld), Bauwesen (in Eckernförde; 2006 aufgelöst), Gestaltung (1996 als Muthesius Kunsthochschule verselbständigt), Technik (heute aufgeteilt: Informatik und Elektrotechnik sowie Maschinenwesen), Soziale Arbeit und Gesundheit, Wirtschaft – und benötigte einen neuen zentralen Campus, wenn sie zusammenwachsen sollte.

Entscheidende Weichenstellung: Das „Kunstlaboratorium“

Dafür bot sich nach dem Niedergang der Gewerbebetriebe in Dietrichsdorf endlich deren Hinterlassenschaft an: eine Industriebrache, deren Verwaltungsgebäude zumindest zum Teil wieder nutzbar waren, die aber jedenfalls eine Reihe von fachspezifischen Neubauten benötigen würde. Gegen anfänglich erhebliche Widerstände setzte die Regierung den neuen zentralen Standort durch und lobte 1991 einen städtebaulichen Ideenwettbewerb unter Architekten und Stadtplanern aus. Die Teilnehmer sollten „ein ortsspezifisches Hochschulimage und adäquate baulich gestalterische Identitätsmerkmale unter dem Titel Hochschule am Wasser“ schaffen. Von einer „Kulturinsel“ war zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede. Jetzt aber erfolgte die entscheidende Weichenstellung: noch bevor die städtebauliche Planung in die Konkretisierungsphase überführt wurde, richtete die Landesregierung 1994 als Pilotprojekt der neu konzipierten „Kunst im öffentlichen Raum“ eigens für den avisierten Campus der Fachhochschule ein “Kunstlaboratorium“ ein: Zehn Künstlerinnen und Künstler sollten sich mit ihren Vorstellungen und Ideen für den schwierigen Planungsraum Neumühlen-Dietrichsdorf einbringen. Das war das Neue: künstlerische Perspektive und Fantasie waren nicht erst nach der Planungs- und Bauzeit gefragt, sondern von Anfang an dabei – kein Wunder, dass einem heute bei der CampusKulTOUR, dem empfohlenen und von einem Audioguide begleiteten Rundgang über den Campus Kunst „ auf Schritt und Tritt“ begegnet. Das Kunstlaboratorium war ein gutes Omen für den Start der Fachhochschule am neuen Standort; ohne die hier entwickelten Vorschläge und Visionen gäbe es einige der spannendsten Installationen auf der Kulturinsel nicht und den siebten der „Leitsätze“, die sich die FH Kiel als Programm gegeben hat, gäbe es so sicher auch nicht: „Unsere Hochschule nimmt ihren Kulturauftrag in Stadtteil und Region an“.

Die Anregungen der am Kunstlaboratorium beteiligten bildenden Künstlerinnen und Künstler gingen in sehr verschiedene Richtungen. Alle bezogen das weitere Umfeld des eigentlichen Planungsgeländes in ihre Überlegungen ein: das südliche Schwentineufer, den Seefischmarkt und den GEOMAR-Komplex. So gab es Empfehlungen, die Schwentine mittels einer Fahrradfähre oder einer Kombination aus Bojen und Pontons oder akustisch durch Klangskulpturen zu ‚überbrücken‘. Dass die Kriegsrelikte, die auf dem ehemaligen Werftgelände mehr oder weniger als Ruinen stehengebliebenen Hochbunker in die neue Nutzung integriert werden mussten, war eine allen gemeinsame Überzeugung. Mehrere Teilnehmer plädierten auch dafür, den U-Bootbunker „Kilian“ vor der Küste einzubeziehen.

Der Max-Reichpietsch-Platz vor dem zum Kulturzentrum umgebauten Bunker-D auf dem Campusgelände der FH Kiel.

Für den „Bunker-D“ ebenso wie für den Hochbunker am Eichenbergskamp wurde eine Verwendung als Kulturzentrum oder -leuchtturm, als Bibliothek mit Ausstellungsmöglichkeiten oder als Villa mit Cafeteria und Garten, als „Gedankenoase“ und Verbindungsglied zwischen Campus und Stadtteil vorgeschlagen. Drei im Kunstlaboratorium entwickelte künstlerische Konzepte wurden umgesetzt: Ludger Gerdes schuf auf der Wiese mitten im zentralen „Max-Reichpietsch-Platz“ seinen „Steinkreis“ als „kontemplativen Ort“. Mit der Namengebung erinnert sich der Campus an seine belastete Vorgeschichte als „Reichsmarinewerft“: der Matrose Max Reichpietsch war als „Rädelsführer“ der vorzeitigen Marinemeuterei 1917 in Wilhelmshaven zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Gerdes‘ Installation besteht aus zwölf kreisförmig um eine runde Senke angeordneten und fest verankerten Granitkugeln mit eingemeißelten lapidaren Kurzsätzen, die zur Reflexion über den Ort und seine Geschichte einladen. Da stehen Aussagen nebeneinander wie „Jemand pflegt“ – „Jemand zerstört“ oder diagonal gegenüber „Jemand leidet“ – „Jemand tröstet“. Wer ist man selbst, wer möchte man sein und warum kann man zuweilen nicht das oder so sein, was/wie man möchte?

Der „Eisenklotz“ von Ulrich Eller greift die Tradition des Werftstandorts akustisch auf: zwei ineinander geschachtelte voluminöse Stahlquader bilden den Resonanzkörper für ein über 24 Elektrohubmagneten und eine Zeitschaltuhr gesteuertes Klangkonzept aus Arbeitsgeräuschen der untergegangenen Werftindustrie. Und an der Fassade einer zur Mensa umgebauten Schiffbauhalle an der Schwentine hat Renate Anger eine Prismavisionsanlage, gleichsam eine bewegte Fotografie installiert: der fotografisch festgehaltene Blick auf die Ruinen des inzwischen weggesprengten U-Bootbunkers Kilian weicht in ständigem Wechsel einer Ansicht von San Giorgio auf die Silhouette der Lagunenstadt Venedig – „Der Süden im Norden“.

Unübersehbar, weil über den gesamten Campus verteilt, sind die sichtbaren Objekte einer weiteren Kunstaktion. Der Bremer Medienkünstler Michael Weisser hat 33 leuchtend blau lackierte Sitzbänke aus Metallrohren jeweils mit einem farbigen QR-Code auf der Lehne versehen, der jeweils mit einem farbigen QR-Code auf der Lehne versehen, der sich mit dem Smartphone einscannen und ‚öffnen‘ lässt und zu Formen visueller oder akustischer Poesie führt. Das können Bilder oder Videos sein, rezitierte Lyrik oder Prosatexte oder exotische Klänge – computergenerierte Multimediakunst. „33!Denk!Bänke!“ nennt er dieses Experiment, mit dem er im öffentlichen Raum zum Nachdenken und Nachfühlen anregen will.

Das gelingt etwa, wenn eine Stimme mit dem hintergründigen Satz „Ohne Irrtum kann niemand eine Aussage über uns machen“ spielt, indem sie die Betonung, die Wortstellung im Satz variiert, ihn mal als Aussage, mal als Frage formuliert und mit bedeutungsverändernden Pausen arbeitet. Plötzlich eröffnet sich ein ganzes Kaleidoskop von Assoziationen und Reaktionen.

Seit kurzem hat auch die signalrote Stahlskulptur „Kubus Balance“ von HD Schrader, die nach dem Verkauf des Plöner Schlosses ihren markanten,bereits vom See aus weithin sichtbaren Standort räumen musste, auf der Kulturinsel Dietrichsdorf ihre neue Heimstatt gefunden – auf dem Dach des Bunkers-D und daher aus der Nähe wie aus großem Abstand wirkungsvoll wahrnehmbar. Transloziert wurde in diesem Sommer auch eine bis dahin im Klinikgelände an der Feldstraße befindliche Arbeit von Karl-Ludwig Schmaltz. Seine mehrteilige „Straßen – Boje“ ist auf der Wiese vor dem Mehrzweckgebäude platziert worden und setzt heute einen weiteren kräftigen Akzent der Kunst im Außenbereich.

Kunst im öffentlichen Raum – auch in den Gebäuden

Zu den frei zugänglichen, grundsätzlich öffentlichen Räumen der Fachhochschule gehören auch die Foyers, Flure und Treppenhäuser der Hörsaal-, Seminar- und Verwaltungsgebäude. Und was hier an Kunstwerken hängt oder steht, kann sich sehen lassen. Um die in wenigen Jahren zusammengetragene Kunstsammlung der FH Kiel – mittlerweile 425 Werke, davon 300 öffentlich sichtbar, teils Geschenke, teils Dauerleihgaben, teils Ankäufe (dann in der Regel zu Vorzugspreisen wegen der persönlichen Bindung der Produzenten an die Hochschule bzw. an deren Kanzler und spiritus rector der Kulturinsel, Klaus Heinze – möchte sie so manches kommunale Museum im Lande beneiden! Da gibt es großformatige, farbkräftige Wandbilder von Anna Lena Straube („Kunsttherapie“, „Drei weiße Katzen“, „click-barock 2.0“), Vladimir Sitnikov (die fantastischen Serien „Alma Mater“,„Geometria“ und „Terra incognita“) und Wolfi Defant („Drahtseilakt“ und „Requiem für François Villon“), Fotoarbeiten von Boris Becker („Architekturzeit“ und „Ladenlokal“), Johannes J. Dittloff („KAPPA-D-12“) und Till Lichtenberger („Runde Ecken“), von demselben Künstler auch eine Serie in komplizierter Mehrfachbelichtung gestalteter Fotogramme unter dem Titel „Making of the Universe“. Da trifft man im Mehrzweckgebäude unversehens auf eine hintergründig-witzige Installation wie die „Knallköppe“ von Sascha Kayser: vier korrekt gekleidete Herren (Typ „Bankmanager“) mit dem obligaten Aktenköfferchen in der Linken stehen in einer Reihe hintereinander, der Vordermann – zeitunglesend – ist blind für das, was um ihn herum geschieht. Und alle haben statt der Köpfe eine Minenkugel, aus der hinten die Lunte heraushängt, an die der Hintermann bereits das Feuerzeug hält. Gegenüber die zweiteilige Stahlskulptur „An Stadt – Statt Grün“ von Insa Winkler: auf einem vertikalen grünen Schlingpflanzengewirr liegt jeweils eine Art Setzkasten mit ziemlich verloren wirkenden, kümmerlich-kakteenähnlichen Pflänzchen in winzigen Tontöpfchen – geradezu ein ironischer Kontrapunkt zu diesem mit viel natürlichem Grün aufgelockerten Campus.

Das ehemalige HDW-Verwaltungsgebäude. Auf dem Dach die Sternwarte.

Im 7. Obergeschoss des Hochhauses fällt die Gruppe der „Sitzengebliebenen“ von Henrike Reinckens ins Auge: sechs in Abständen nebeneinander sitzende weibliche Gipsfiguren, jede mit einer ‚sprechenden‘ Körperhaltung und Physiognomie. Und die Kunst hat auch die nicht allgemein zugänglichen ‚Diensträume‘ erobert: im Amtszimmer des Inspirators der Kulturinsel hängt Wolfi Defants bildliche Hommage „Klaus“ – ein Gemälde des „Kanzlers + Kümmerers“ mit nach oben geöffneten ausgebreiteten Armen, als wolle er sagen: „Worum geht es? Das kriegen wir hin!“. Und den Senatssitzungssaal schmückt zum einen die dreidimensionale Version des Logos der FH von Ulrich Gassert, zum andern – und das ist eine echte Überraschung – ein schreiend bunter und in der Vielzahl der Motive überbordender Wandfries: Katharina Kierzeks „Das lange Elend“ (mit den Maßen 500 x 90 cm!). Wer bei der Sitzung nicht den Blick nach draußen, auf die Förde hat, der verliert sich vielleicht in diesem Kaleidoskop und findet darin den Gegenpol zu den trockenen Akten, die er vor sich hat.

Der Bunker-D: Das Herzstück der Kulturinsel

Blick vom Dach des Campus-Hochhauses auf den Max-Reichpietsch-Platz und den Bunker-D. Links im Bild zu sehen: Der „Steinkreis“ von Ludger Gerdes.

Aber das Herzstück der Kulturinsel ist heute zweifellos der Bunker-D. Errichtet als Luftschutzbunker für die HDW-Werftarbeiter, blieb der ungefüge Betonklotz nach Kriegsende – beschädigt und ‚nutzlos‘ – als trostloses Mahnmal an Rüstungsproduktion und Kriegszerstörung erhalten. Mit dem Niedergang der zivilen Werftindustrie war der Bunker dann Teil der großen Brache. Es war klar, dass für dieses Relikt bei der Überplanung des Geländes für jede neue Nutzung eine Funktion gefunden werden musste. In den ersten Jahren des Aufbaus der FH spielte der Bunker aber noch keine Rolle; die aus dem Kunstlaboratorium entwickelten Vorschläge wurden – mangels einer Finanzierungsperspektive – zunächst nicht aufgegriffen.

Erst 2006, fast zwölf Jahre später, gab es wieder Überlegungen, was aus dem Bunker werden sollte. Ein Projektteam aus Hochschulangehörigen, Handwerkern, Kulturschaffenden und dem Rektorat erarbeitete ein Nutzungskonzept und eine erste Bauphase, gefördert aus Mitteln des Programms „Soziale Stadt“, konnte beginnen. Es ging erst einmal um die Entrümpelung und die Begehbarkeit des Gebäudes; noch gab es weder Toiletten noch auch nur einen Wasseranschluss.

Immerhin konnte man sich aber schon im Café aufhalten. Und noch im Oktober 2006 fand die erste „Bunkerwoche“ mit einem vielfältigen Kulturprogramm statt – die erste von mittlerweile 16, die – jeweils im April und Oktober – inzwischen zum Markenzeichen des Bunkers-D geworden sind. Jede „Bunkerwoche“ startet mit einer Ausstellungseröffnung. In der ersten zeigte Anna Lena Straube im 2. OG ihre farbfrohen Bilder. Dieses Beispiel machte Schule: der Bunker-D entwickelte sich zum Kunstbunker und viele der hier ausgestellten Künstlerinnen und Künstler trugen durch Schenkungen oder Leihgaben dazu bei, dass der Campus im Freien und in den Gebäuden als Kulturinsel erlebbar wurde.

2008 und 2014 folgten, jeweils finanziert durch Drittmittel, weitere Bauphasen. Betonwände und -decken mussten saniert, Heizung und Elektroanlagen eingebaut werden. Brandschutz und Barrierefreiheit waren zu beachten, das bedeutete breitere Türdurchgänge, Glastüren und einen neuen Eingangsbereich. Bei alledem sollte der ursprüngliche Charakter des Luftschutzbunkers erhalten bleiben, einschließlich der im Treppenhaus unübersehbar aufgemalten Parolen und Mahnungen („Feind hört mit“, „Deutscher, denke u. schweige“). Erst 2014 wurde auch die formelle Umnutzungsgenehmigung erteilt: der Zivilschutzbunker war jetzt offiziell zum Kultur- und Kommunikationszentrum geworden, zum Treff- und Anziehungspunkt für Hochschulmitglieder, Stadtteilbewohner und Gäste von außerhalb – so wie es das Projektteam von 2006 gewollte hatte. Der Kunstbunker ist regelmäßig dienstags (vormittags) und mittwochs (ganztägig), im übrigen nach Absprache geöffnet und bietet auf drei Etagen eine vielfältige kulturelle Nutzung: Bühne und Raucherbar im ersten, Café und Kino im dritten OG. Das zweite OG dient als Galerie mit zwei größeren und einem kleineren Ausstellungsraum, ausgestattet mit moderner Licht- und Tontechnik, Beamer, Leinwand etc.Da die Bunkerwände nicht gestrichen, beklebt oder angebohrt werden dürfen, wurden für die Präsentation der Werke spezielle Vorrichtungen geschaffen. Sie werden mit Haken und Seilen an Bewehrungseisen aufgehängt, die unter der Bunkerdecke montiert sind.

Jeden Mittwoch zeigt das Bunkerkino ausgewählte Filme abseits des Mainstreams, einmal monatlich zusätzlich einen Streifen in der Originalsprache mit Untertiteln. Aber die größte Attraktion des Bunkers-D sind sicher die achtmal jährlich stattfindenden jeweils vierwöchigen Ausstellungen, zu deren Vernissagen inzwischen jedes Mal bis zu 100 (Stamm-)Gäste erscheinen. In 55 Ausstellungen (davon 17 mit zwei oder mehr beteiligten Künstlerinnen und Künstlern) wurden bisher Arbeiten unterschiedlichster Genres und Thematik vorgestellt: Malerei, Fotografie, Bildhauerei, Multimediainstallationen, kinetische Objekte, Karikaturen und Illustrationen, auch mal Schmuck oder Keramik. Eine ganze Reihe der mit Werken auf dem Campus vertretenen Kulturschaffenden hatte auf diese Weise ihre erste Berührung mit der Fachhochschule, so Katharina Kierzek, Till Lichtenberger, Sascha Kayser, Michael Weisser und Wolfi Defant. Hier finden aber auch Themenausstellungen statt wie „25 Jahre nach Tschernobyl“, eine Installation zur Erinnerung an die Belagerung Leningrads (St. Petersburgs) durch die deutsche Wehrmacht im 2. Weltkrieg (beide 2011), eine „animalpolitische“ Werkserie zu den Missständen in der (Massen-)Tierhaltung (2012) oder eine Bildfolge zu den verschiedenen Aspekten des Umgangs mit Essen (2013). Anlässlich der 50. Ausstellung im Bunker-D hat die Hochschule ein von Vladimir Sitnikov ungewöhnlich gestaltetes Erinnerungsbuch mit DVD herausgebracht, eine quadratische, mit vier Schrauben zwischen starken Pappdeckeln zusammengehaltene Loseblattsammlung – selbst ein kleines Kunstwerk (nicht im Buchhandel erhältlich).

Der Mediendom: In der Top-Liga der Planetarien

Der zentrale Campus der FH Kiel in Dietrichsdorf erwies sich als Magnet, der Einrichtungen auf das Ostufer zog, die zuvor in Kiel eher ein Schattendasein geführt hatten, jetzt aber das Potential entfalten konnten, das in ihnen steckte. Vorläufer des Mediendoms (jetzt im Großen Hörsaalgebäude) war das Planetarium am Knooper Weg, das im Zuge der Verlegung der Fachhochschule einen Neubau am Sokratesplatz und 2003 den heutigen Namen erhielt.

Seit 1987 unter der Leitung des Pädagogen Eduard Thomas, hat er sich mittlerweile zu einer jährlich von 35000 – 40000 Gästen frequentierten Institution entwickelt, die erheblich mehr ‚kann‘ als den kosmischen Sternenhimmel an die Kuppeldecke zu projizieren. Nach der jüngsten technischen Umrüstung 2014 stehen heute der Bildgenerator „Digistar 5“ mit sechs Videoprojektoren, die ein 360°-Bilderlebnis in 2 D oder 3 D ermöglichen und eine Audioanlage mit 64 Kanälen und 65 Lautsprechern, die einen neuartigen dreidimensionalen Raumklang erzeugen, zur Verfügung. Diese Technik ermöglicht „immersive Erlebnisse“, d.h. das Eintauchen in virtuelle Welten – ein Phänomen, das zu einem Forschungsschwerpunkt des Fachbereiches Medien der FH geworden ist.

Der Mediendom ist weit mehr als eine Mischung von Kino, Konzertsaal und Museum und bietet eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Programme für alle Altersgruppen von den Schulkindern bis zu den Senioren, keineswegs nur zu astronomischen Themen. Das reicht von Shows zur Planetenwelt und Reisen durch die Galaxis über vorgeschichtliche (Dinosaurier) und futuristische Animationen (Jules Vernes Reisen zum Mond oder „SpacePark 360“) bis zu Musik-, Bild- und Videoerlebnissen wie Queen Heaven, Pink Floyd, U 2 und Tabaluga (Peter Maffay). Besonders beliebt bei den Jüngeren und den Fans sind die 3 D Audio – Hörspielversionen aus der Serie „Die drei ???“ und die Abenteuergeschichte „Lars – der kleine Eisbär“ (nach den Büchern von Hans de Beer ), bei den Älteren eher meditative Programme wie „Sterne und Träumen“ und „Zauber der Anderswelt – Musik für die Seele“ zu keltischer Harfenmusik.

Der Mediendom bietet täglich – bis auf montags – mehrere Veranstaltungen, auf Wunsch auch spezielle Programme für Gruppen und zur Vorbereitung an Schulen und Kindergärten Informations- und Unterrichtsmaterialien. 360°-Produktionen des Mediendoms wurden in 18 Sprachen übersetzt und werden weltweit in Planetarien gezeigt. Mehrere erreichten hohe internationale Auszeichnungen, beispielweise „Orchideen – Wunder der Evolution“, die auch für den Designpreis Deutschland 2011 nominiert wurde. Die UNESCO-Kommission zeichnete „Lars – der kleine Eisbär“ als Projekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ aus. Es wird an 22 Planetarien in Deutschland, in den USA und Israel aufgeführt. Unter den vergleichbaren Einrichtungen – national und international gesehen – spielt der Mediendom der Fachhochschule – wie die Kieler Nachrichten im November 2014 einmal titelten – in der Tat „in der Top-Liga“.

Das Computer-Museum auf dem Campus

Aufhaltsamer noch als der Weg vom Planetarium zum Mediendom verlief die Erfolgsgeschichte der zweiten Einrichtung, die heute zu den Anziehungspunkten des Campus gehört. 30 Jahre hat es gedauert von der Gründung des Vereins „Schleswig-Holsteinisches Museum für Rechen- und Schreibtechnik e.V.“ 1981 bis zum Einzug der Schausammlung in den Hochbunker am Eichenbergskamp, das zweite Kriegsrelikt auf dem Campus, für das eine neue Nutzung gesucht wurde. Erst 2007 hatten die beiden Initiativen zusammengefunden. Am Anfang der Sammlung stand die Überlegung: Was tun mit ausgesonderten Rechengeräten? Wie kann die technologische Entwicklung auf diesem Feld dokumentiert und angemessen präsentiert werden? 1982 waren in der Datenzentrale Schleswig-Holstein in Altenholz erstmals die schon damals legendären Rechenmaschinen der Zuse-Generation (Z11 und Z22) und der Graphomat Z64 vorübergehend ausgestellt worden, danach verschwand die Sammlung wieder in öffentlich nicht zugänglichen Magazinen.

Aus der geplanten Errichtung eines Neubaus für ein spezielles Museum wurde nichts, die Finanzierungszusage des Landes wieder kassiert. 1991 ‚verschenkte‘ der Verein seine Sammlung an das Land, das sie seinerseits der Fachhochschule übergab. 2002 stellte man sie vorsorglich unter Denkmalschutz, hatte aber noch immer keine Vorstellung von ihrer künftigen Unterbringung. 2009 dann erwarb das Land den Eichenberg- Bunker für die Fachhochschule, mit dem ausdrücklichen Ziel, dort ein Computermuseum einzurichten, das die Entwicklung der Datenverarbeitung von den ersten voluminösen mechanischen Großrechnern über verschiedene elektromagnetische und elektronische Zwischenstufen bis zu den Mikrocomputern der 90er Jahre (PCs und Laptops) vorführen sollte.

Der Bunker musste dazu in großem Umfang umgebaut und statisch ertüchtigt werden. Heute präsentiert er auf 850 qm Ausstellungsfläche mit 17 Medienstationen über vier Etagen Anlagen, die im wesentlichen aus dem Bestand von Firmen, Behörden und Hochschulen aus Schleswig-Holstein stammen und – neben den Zuse-Rechnern – von Siemens, Telefunken, Electrologica und Robotron entwickelt wurden. Der Umfang der Sammlung, die zeitweise über 4000 Objekte umfasste, musste allerdings deutlich reduziert werden. Die alten Anlagen aus den 50er und 60er Jahren hatten noch raumfüllende Ausmaße mit entsprechendem Gewicht; das schwerste Einzelstück, der Cyber 76M, bringt allein 1.6 t auf die Waage! Zu den in Fachkreisen geradezu kultischen weiteren Wegmarken der Computergeschichte, die im Eichenberg-Bunker zu besichtigen (wenn auch nicht zu benutzen) sind, gehören neben den vom Computer-Pionier Konrad Zuse (1910 – 1995) entwickelten Modellen der Z11, Z22 und Z23 die „Siemens 2002“ und die „Telefunken 445“.

Die Ausstellung ist wahrhaftig „Technik pur“, ihr Design wurde von Studierenden des Fachbereichs „Raumstrategien“ entworfen. Es arbeitet mit gut lesbaren Grafiken und Texttafeln und gibt auch dem technischen Laien Hilfestellungen zum Verständnis der Funktionsweise der Geräte, etwa indem deren ‚Eingeweide‘ offengelegt werden. Ein „Zeitstrahl“ an den Wänden des Treppenhauses lässt die wesentlichen Etappen der Geschichte der Datenverarbeitung nachvollziehen. Das Computermuseum ist regelmäßig am Wochenende nachmittags geöffnet, im übrigen für Gruppen nach Voranmeldung.

„Natürliche Symbiose“

Mediendom und Computermuseum liegen sich in Steinwurfweite gegenüber und stehen nach Meinung ihres Direktors Eduard Thomas in „natürlicher Symbiose“ zueinander. Ihre Angebote ergänzen sich gegenseitig – das Museum zeigt die Geräte und Anlagen, die die Demonstrationsmöglichkeiten des Mediendoms erst geschaffen haben. Das wird besonders augenfällig in zwei dort gezeigten Programmen: die Show „Computer öffnen Welten“ führt in die Grundlagen der Informationstechnologie ein und erläutert ihre Anwendung in der Fotografie, im digitalen Fernsehen, auf CD’s, DVD’s und MP3. Und die neu aufgenommene Produktion „Chaos and Order – A Mathematic Symphony“ entführt in die „Zauberwelten der Computergrafik“.

Sternwarte 39 Meter über N.N.

Und schließlich die dritte Institution, die vom Umzug der FH profitiert hat: auch die Sternwarte wurde von ihrem ursprünglichen Standort an der Legienstraße auf den Campus verlegt. Auf dem Hochhaus bietet sie heute – 39 m über N.N. – nicht nur eine herrliche Aussicht über den Hafen, die Stadt und das Umland, sondern ermöglicht vier- bis fünfmal im Monat bei sternklaren Nächten die Beobachtung des Sternenhimmels mittels eines spiegelteleskops mit einem Durchmesser des Primärspiegels von 40 cm. Vorträge zu astronomischen Themen und Demonstrationen zu besonderen Himmelsereignissen wie Sonnen- und Mondfinsternissen ergänzen das Angebot.

Dem Besucher des Mediendoms wird gern zum Einstieg ein kurzer Trickfilm vorgeführt: Man blickt in das 360°-Panorama des Kieler Rathaus und
Opernplatzes. Unvermittelt entwickelt sich hinter dem Rathaus eine gewaltige Rauchwolke und vor den Augen erhebt sich der Rathausturm als Rakete in die Luft, um nach kurzem Flug inmitten des Campus der FH Kiel wieder aufzusetzen. Der Film könnte für das Selbstbewusstsein der Kulturinsel stehen: hier ist das Zentrum der Landeshauptstadt – hier spielt die Musik! //

Rolf-Peter Carl