Bücher erzählen nicht nur Geschichten, historische Bücher sind Geschichte zum Anfassen. Manchmal sind Bücher sogar das einzige, was von einer Geschichte übrig bleibt. So war es mit der „Auszführliche(n) Beschreibung Der Kundbaren Reyse Nach Muscow und Persien, So durch gelegenheit einer Holsteinischen Gesandschafft von Gottorff auß an Michael Fedorowitz den grossen Zaar in Muscow, und Schach Sefi König in Persien geschehen“.
Eigentlich sollte die holsteinische Gesandtschaft, die 1633 nach Moskau und zwei Jahre später ins persische Safawiden-Reich aufbrach, sehr viel mehr erreichen. Sinn und Zweck der Unternehmung war es, einen Handelsweg nach Persien und damit die Anbindung an die Seidenstraße zu finden. Mit dem Orienthandel, vor allem mit Seide und anderen Luxusgütern, ließ sich im 17. Jahrhundert viel Geld verdienen, und der Gottorfer Herzog Friedrich III. brauchte dringend Geld. Er war ein großer Förderer von Wissenschaft, Kunst und Kultur und hätte am liebsten große Summen in seine Kunstkammer und in seine Bibliothek investiert und berühmte Gelehrte an seinen Hof gezogen. Aber das Herzogtum war klein, wirtschaftlich wenig bedeutend und zudem schwer verschuldet. Da kam der Vorschlag des Hamburger Kaufmanns Otto Brüggemann, den Orienthandel an der niederländischen Konkurrenz vorbei auf dem Landweg nach Schleswig und Friedrichstadt zu leiten, gerade recht.
Friedrich III. schickte zwei Gesandtschaften nach Moskau und Persien: 1633 reiste eine vorbereitende Delegation nach Moskau, um mit dem russischen Zaren über Transitrechte und Zölle zu verhandeln. Die eigentliche Gesandtschaft ging dann 1635 über die Ostsee nach Riga, durch Russland und die tatarischen Steppen zum Kaspischen Meer und nach Persien an den Hof des Schahs in Isfahan. Es war eine außerordentliche, teure und gefährliche Unternehmung. Erst vier Jahre später, 1639, kehrte die Gesandtschaft nach Gottorf zurück – jedoch mit leeren Händen. Der kühne Plan war fehlgeschlagen, die wirtschaftlichen Erwartungen erfüllten sich nicht. Schah Safi I. unternahm zwar einen Gegenbesuch in Gottorf, aber auch der führte nicht zu konkreten Ergebnissen. Herzog Friedrich III. musste seine Hoffnungen begraben, Gottorf und Friedrichstadt zu Drehscheiben des lukrativen Orienthandels zu machen.
Was blieb, ist die herausragende Leistung des Gesandtschaftssekretärs Adam Olearius, der seine Beobachtungen zu einer umfangreichen, mit Kupferstichen und Landkarten illustrierten Reisebeschreibung ausarbeitete. Olearius war selbst für die Barockzeit ein ungewöhnlich vielseitiger Gelehrter. Seine mathematischen Kenntnisse ermöglichten es ihm, durch astronomische Vermessungen die Karte von Südrussland, der Wolga und dem Kaspischen Meer grundlegend zu korrigieren; mit seinen landeskundlichen Beobachtungen erweiterte er die europäische Kenntnis von Russland und Persien enorm. Die „Beschreibung Der Newen Orientalischen Reise“, die erstmals 1647 in Schleswig gedruckt wurde und in vielen Auflagen erschien, ist noch heute ein Standardwerk für die Russland- und Persienkenntnis des 17. Jahrhunderts. Darüber hinaus wirkte Olearius als Vermittler persischer Dichtung und Kultur in Europa. Mit seinen im Lande erworbenen Sprachkenntnissen war in der Lage, die Gedichtsammlungen „Golestan“ (Rosengarten) und „Bustan“ (Baumgarten) des persischen Dichters Saadi ins Deutsche zu übertragen – sie sind in späteren Ausgaben des Reiseberichts enthalten.
Olearius’ Reisebeschreibung fand zu Recht schon in der Barockzeit weite Verbreitung. Allein die Eutiner Landesbibliothek besitzt nicht weniger als sechs alte Ausgaben in drei Sprachen. Es ist ein Wissensschatz, der heute mehr wert ist als alle Seidentapeten des Orients.