Der Name Walter Auerbach wird mitunter in der kirchlichen Zeitgeschichtsschreibung genannt. Er war der einzige „volljüdische” Pastor der schleswig-holsteinischen Landeskirche. Die Begrifflichkeit ist NS-deutsch, eingeführt vom späteren braunen Fleck in Konrad Adenauers Regierungen, Hans Globke. Für den christlich-jüdischen Dialog der ersten Nachkriegszeit nahm Pastor Auerbach eine zentrale Rolle ein und an seiner Person lässt sich das Verhältnis der schleswig-holsteinischen Nachkriegskirche zum Judentum und ihr Umgang mit der eigenen jüngsten Vergangenheit sehr gut veranschaulichen.
Walter Auerbach wurde am 23. Oktober 1882 in Altona als Sohn des jüdischen Augenarztes Dr. Ludwig Auerbach geboren. Er wurde im Alter von drei Jahren, kurz vor seinen Eltern, christlich getauft. Auerbach besuchte die Gymnasien in Altona und Plön. Letzteres beendete er 1904 mit dem Abitur. Aus dieser Zeit war ihm der Bürgermeistersohn und spätere Landeskirchenamtspräsident Christian Kinder bekannt. 1909 schloss er sein Theologiestudium mit dem Examen in Kiel ab, wo er während seiner Studienzeit mit seinem ehemaligen Klassenkameraden Hans Treplin, der später eine der prägenden Figuren der Bekennenden Kirche Schleswig-Holsteins werden sollte, gemeinsam ein Zimmer bewohnte.
Zwei Jahre später heiratete er die Tochter eines seiner Plöner Gymnasiallehrer, Magdalena Wiencke. Zusammen hatten sie zwei Söhne und zwei Töchter.
Am 2. November 1913 wurde Auerbach nach zweijähriger Amtszeit in Schlichting Pastor in Altenkrempe. Dort amtierte er als der Erste Weltkrieg begann, das Kaiserreich zusammenbrach und die Republik kam. Er predigte zu Heldengedenk und tat sich – wie seine Umwelt – schwer mit der Weimarer Republik. Die jüdische Herkunft Auerbachs war soweit aus den Akten ersichtlich vor 1933 niemals Thema in Altenkrempe. Erst danach fingen einzelne Nazis an, gegen Auerbach zu hetzen.
Nach 22 Jahren im Amt verfügte Christian Kinder am 1. Oktober 1935 Auerbachs Emeritierung, obwohl er durch die Ausnahmebestimmungen des Arierparagrafen gedeckt war. Vielleicht auch deshalb erhielt er weiterhin das volle Gehalt ausgezahlt. Der Anstoß zur Zwangsentlassung kam vom Altenkremper Kirchenpatron von Loßberg. Aber auch die Konpatronin Gräfin von Plessen-Sierhagen, ihrerseits Mutter eines Plöner Klassenkameraden Auerbachs und sogar Mitglied der Bekennenden Kirche, hat sich nicht für Auerbach ausgesprochen.
Im Ruhestand zog Auerbach in das elterliche Haus in der Altonaer Behnstraße. Hier erlebte er am 9. Juni 1943 die Deportation seiner 87-jährigen Mutter, Maria Rebecca Auerbach, geb. Rée, nach Theresienstadt, wo sie ums Leben kam. Er selbst wurde nicht deportiert, da er in sogenannter privilegierter Mischehe lebte. Das Haus Behnstraße wurde zerbombt, die Familie überlebte in einem Luftschutzbunker, den sie sich selbst gebaut hatten, da die Benutzung öffentlicher Bunker ihnen als „Nichtariern” verwehrt war.
Der Text basiert auf Stephan Lincks Publikation Neue Anfänge? Der Umgang der evangelischen Kirche mit der NS-Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Judentum. Die Landeskirchen in Nordelbien. Band 1: 1945 – 1965, Kiel 2014, S. 202-212.
Mehr zur Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland nach dem Krieg finden Sie auf
www.nordkirche-nach45.de.