Günter Kunert: Das alltägliche Unglück

Günter Kunert

Martin Lätzel hat beim Schriftsteller Günter Kunert „nachgelesen“. Kunert wird im Frühjahr 2019 90 Jahre alt.

Man muss schon etwas suchen, um Kaisborstel zu finden. Im alten Schulhaus, verborgen hinter hohen Hecken lebt, mitsamt jeder Menge Katzen, der Dichter Günter Kunert. Den Ort hat er bewusst gewählt, um in Ruhe arbeiten zu können. Dabei ist Kunert Stadtkind, geboren und aufgewachsen in Berlin blieb er seiner Heimatstadt verbunden bis zur Ausreise aus der DDR 1979. Kunerts Mutter entstammte einer jüdischen Familie, sein Großvater wurde in Theresienstadt von den Nazis ermordet, sein Onkel in Auschwitz.

„Ein Leben voller Zufälle“

Ein Leben voller Zufälle, so nennt Kunert es. Ein Zufall in Berlin geboren worden zu sein, ein Zufall, die Verfolgung überlebt zu haben. Der Krieg verhinderte eine Ausbildung, der Zufall sorgte dafür, dass er nicht in den Krieg ziehen musste. Er wurde als „wehrunwürdig“ eingestuft. Das Jahr 1945 war für Günter Kunert im wahrsten Sinne des Wortes eine Stunde null. Er begann in Berlin eine Ausbildung an der Kunsthochschule. Er zeichnete und begann, nebenbei zu schreiben.

Ab 1947 lebte Kunert zuerst vom Schwarzhandel und dann gänzlich von der Schriftstellerei. In Bertolt Brecht und Johannes R. Becher findet er einflussreiche Förderer, mit dem SED-Staat arrangiert er sich – vorläufig. Der Bruch wird unausweichlich kommen: Wie alle Menschen, die denken und zweifeln, kann er sich weder Ideologen noch Ideologien unterwerfen. Aus der Akademie der Künste der DDR fliegt er in den Siebzigern nach einem Jahr wieder heraus. Kunert ist eigentlich privilegiert. Er darf Auslandsreisen unternehmen, 1972 war er Gastprofessor an der University of Texas in Austin und 1975 an der University of Warwick in England.

Er sei zwar dem Sozialismus verbunden, äußerte er, aber Stalinismus und Feudalismus waren ihm ein Gräuel. Die Ausbürgerung Wolf Biermanns tat das Übrige. 1979 verlässt er Berlin, verlässt die DDR und reiht sich ein in den Exodus von Intellektuellen, die angesichts zunehmender Repressalien das Land verlassen. Seitdem bereichert er die Literaturszene Schleswig-Holsteins, das nun, wenn schon nicht zur Heimat, zu seinem neuen Zuhause wird und den rechten, weil einsamen Rahmen für seine Arbeit bietet.



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Martin Lätzel

Foto: picture alliance dpa, Jan Woitas