Die Bibliothek als Dritter Ort. Aat Vos im Gespräch mit Kristof Warda

Auf dem Weg nach Oslo hat Aat Vos schon oft in Kiel Halt gemacht und ist mit der Fähre am gedrungenen, backsteinernen Sartori & Berger-Speicher vorbeigefahren. Jetzt hat der Architekt und creative Guide den Auftrag, die darin zur Miete untergebrachte Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek zu einem Dritten Ort zu machen. Hier treffe ich Aat Vos – ausgerechnet am 18. Juni 2019 – dem 90. Geburtstag des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas. Wir sprechen über Öffentlichkeit, kommerzialisierten und öffentlichen Raum, über die Landesbibliothek in Kiel und das Bildungshaus in Norderstedt. Und Aat Vos verrät mir, wie man Orte für wirklich jede*n schafft.

Aat Vos ist Architekt und Creative Guide

Lieber Aat Vos, wenn Sie nicht zu Hause oder bei der Arbeit sind – wo sind Sie dann am liebsten?

Aat Vos: Dort, wo ich mich willkommen fühle. Ein ganz einfaches Beispiel: Durch meine Arbeit reise ich sehr oft und verbringe gut 200 Nächte im Jahr in Hotels. Die Begrüßung läuft dort meist so ab: „Name? Reservierung …?“

Letztes Jahr war ich mit meiner Frau im Urlaub in Norwegen – ganz im Norden. Als wir nach einer langen Autofahrt in unserer Unterkunft ankamen, fragte die Frau an der Rezeption erst einmal ganz aufrichtig: „Wie war Ihre Reise?“ Auf die Frage kann ich mehr antworten als nur meinen Namen und irgendwelche Daten. Ich kann daran anknüpfen, ich kann die Frau fragen, ob sie diese oder jene Straße kennt, das schöne Panorama hier oder die Baustelle dort. Das mag man als Smalltalk bezeichnen. Aber es vermittelt ein ganz wichtiges Gefühl: Jemand ist an meiner Geschichte und meiner Erfahrung interessiert. Jemand nimmt mich als Menschen wahr. Das meine ich mit willkommen fühlen. Wenn mir ein anderer Mensch das Gefühl gibt, dass es OK ist, dass ich da bin, kann ich mich überall willkommen fühlen.

Das kann ich nachvollziehen. Doch die Fähigkeit, das Gefühl des Willkommenseins zu vermitteln, wird in großen Unternehmen durch Schulungen für die Mitarbeiter im Kundenkontakt gelehrt. Mir persönlich fällt es oft sehr schwer, hinter professioneller Freundlichkeit der Angestellten in der Konzernfiliale nicht Unternehmensinteresse durchscheinen zu sehen …

Das „McDonald´s-Smile“, richtig! Im privatisierten, kommerzialisierten Raum gilt das Interesse Deinem Geld, deiner Kaufkraft als Kunde. Und der Raum in unseren Städten wird mehr und mehr kommerzialisiert. Bei dieser Entwicklung ist es eine Notwendigkeit, Räume zu schaffen, an denen das Interesse dem Menschen als Menschen gilt. Nicht dem Menschen als Kunden.

Zusammen mit Ihrem Team ist es Ihre Arbeit, solche Räume herzustellen …



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Kristof Warda

Dritter Ort:
Der Stadtsoziologe Ray Oldenburg prägte Ende der 1980er Jahre den Begriff „dritter Ort“ und meint damit neben dem Zuhause (erster Ort) und der Arbeitsumgebung (zweiter Ort), den Raum, in dem Menschen sich wohlfühlen und entspannen können, Bekannte treffen und neue Leute kennen lernen. Beispiele für Dritte Orte sind Bars und Cafés, Markplätze oder Parks, aber auch öffentliche Bibliotheken.

Aat Vos:
Aat Vos studierte erst Marketing, dann Architektur. Er ist spezialisiert auf die Wiederbelebung von öffentlichen Räumen, insbesondere von Bibliotheken. Er arbeitet international und mit multidisziplinären Teams. Vos arbeitete u. a. an der Köln Kalk Bibliothek (Stadtbibliothek Köln), Hubland Bibliothek (Stadtbücherei Würzburg), den Idea Stores in London, der Stadtbibliothek von Antwerpen, dem Hub Kerkrade und der Jugendbibliothek Biblo Tøyen in Oslo und diversen Niederlassungen von OBA (Öffentliche Bibliothek Amsterdam). In Schleswig-Holstein arbeitet er zurzeit am Bildungshaus Norderstedt und für die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek. Mehr über Aat Vos auf seiner Internetseite