Deutschland hat für die jüdische Gemeinschaft aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung. Und die letzten Jahrzehnte ließen hoffnungsfroh werden. Zwar würde das deutsche Judentum nie wieder, wie es vor der Shoah gewesen ist. Doch sind Jüdinnen und Juden im Land der Täter wieder heimisch geworden, neue Gemeinden wurden gegründet, wieder Synagogen gebaut. Bis zum 7. Oktober 2023 schien alles einen guten Weg zu gehen. Was wir seitdem erleben, ist eine neue Welle des Antisemitismus, die wir nicht mehr zu befürchten wagten.
Wenn Gemeinden und Vereine wieder Angst haben müssen, wenn Davidsterne an Wohnungen gesprüht werden, dann ist mehr als das Maß voll. Das alte Gespenst ist wieder da, der schwarze Schatten des Antisemitismus. Achtzig Jahre haben wir gepredigt, den Anfängen zu wehren. Nun müssen wir den Anfängen auf unseren Straßen und Hauswänden gewahr werden, und man kann nur hoffen, dass es nicht zu spät ist.
Auf die Kultur und insbesondere auf die kulturelle Infrastruktur kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Widerstand und Integration sind dabei die wesentlichen Stichworte. Im Widerstand in bildender und darstellender Kunst zu zeigen, dass Antisemitismus, religiöse Intoleranz, Verfolgung und Hate-Speech bei uns keinen Platz haben dürfen. In der Integration mit vielfältigen Ausdrucksweisen deutlich machen, dass Jüdinnen und Juden und jüdische Gemeinschaften Teil unserer Gesellschaft sind und unserer Solidarität und unseres Zusammenhalts bedürfen.
Gerade die Kunst und die kulturelle Infrastruktur haben so viele Möglichkeiten und sind aufgerufen, sich antisemitischen Tendenzen aktiv entgegen zu stellen – in Protest, Performance und pro-aktiv. Achtzig Jahre waren wir davon überzeugt, dass es „Nie wieder“ passieren dürfte. Nun wird’s ernst: Nie wieder ist jetzt!