Das Programm Nord

In Steinburg erinnern sich einige, in Dithmarschen viele, nördlich der Eider fast alle, die auf der Geest oder in den Marschen leben. 1953 gestartet, hat das Programm Nord in mehr als 25 Jahren das Gesicht der Landschaft in Norden verändert, die Böden wieder in Kultur gebracht und vor allem eine Zukunft für Menschen auf dem flachen Land geschaffen. Zumindest nördlich der Eider steht fest: Das war ein Wendepunkt in der Schleswig-Holsteinischen Geschichte.

Die Vorgeschichte könnte 1867 beginnen. Mit der Provinzialisierung der Herzogtümer durch die Preußen, liegt Schleswig nicht mehr in der Mitte des dänischen Gesamtstaates, sondern wird zur Grenzmark Preußens und von 1871 an Deutschlands nördlichster Zipfel. Der im neuen Kaiserreich einsetzende Aufschwung und die Industrialisierung erreichen das flache Land nördlich der Eider kaum. Mit der Eisenbahn fuhr man nun durch ödes oder überschwemmtes Land in die aufblühenden Städte. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, mitten in der Agrarkrise, wird das Herzogtum Schleswig – und damit auch seine Infrastruktur – durch die neue, nach Süden verschobene, deutsch-dänische Grenze geteilt. 1945 sind Bayern und Schleswig-Holstein die letzten Gebiete für den Flüchtlingsstrom. Bis Mai 1945 steigt die Einwohnerzahl der Provinz Schleswig-Holstein von 1,6 auf 2,4 Millionen Menschen – auf zwei Einheimische kam nördlich der Eider ein Flüchtling. Keine Stube, kein Bett, keine Laube blieb unbelegt.

Das Land Schleswig-Holstein als Nachfolger der preußischen Provinz hatte einen schweren Start. Einmal war die Frage, ob dieses wirtschaftsschwache und kleine Gebilde überhaupt als eigenes Bundesland lebensfähig war. Das bezweifelte der 1947 gewählte erste Ministerpräsident Herrmann Lüdemann. Der SPD-Politiker verfasste eine Denkschrift mit dem Titel „Die Not eines Landes“. Er plädierte für einen größeren Nordstaat. Davon war nicht mehr die Rede, als Friedrich-Wilhelm Lübke 1951 der zweite CDU-Ministerpräsident des Landes wurde. Davor hatte er als Landrat des Kreises Flensburg-Land vor allem gegen das Erstarken der dänischen Minderheit gearbeitet.

Zwar hatte Dänemark nach dem Zweiten Weltkrieg kategorisch erklärt: „Danmarks Grænser ligger fast“ – also: die dänischen Grenzen ändern sich nicht, doch die dänischen Vereine und Organisationen waren für viele Einheimische im Landesteil Schleswig Fluchtpunkt und Hoffnung angesichts der allgemeinen Not und eines Gefühls des Bedrängtseins durch die Flüchtlinge. 1945 zählten die dänischen Vereine 2.700 Mitglieder, Ende 1946 waren es schon 62.000. Dahinter stand auch die Hoffnung, Schleswig könne wieder zum Teil Dänemarks werden. Im Norden herrschte „Grenzkampf“.

Lübke und seiner zusammengewürfelten Regierung war klar, um dieser Bewegung die Spitze zu nehmen, musste vor allem im Norden die wirtschaftliche Lage grundlegend verbessert werden. Nachdem der Bund mit ins Boot geholt worden war, wurde das „Programm Nord“ entwickelt. In den Debatten im Landtag Februar 1953 räumte Lübke offen ein, es gehe ihm auch darum, dem verbreiteten Wunsch im Norden nach einer Rückkehr in den dänischen Staat etwas entgegenzusetzen.

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Werner Junge