Die Neuordnung des Büchereiwesens in Schleswig-Holstein

Wenn Organisationsstrukturen oder administrative Regelungen, die seit langem so bestehen und den unmittelbar Betroffenen ganz natürlich, ja selbstverständlich, dem Blick von außen aber befremdlich und unerklärlich erscheinen, dann sind sie sicher „historisch gewachsen“. Zumindest wird das in der Regel als einzige Begründung genannt. Das Büchereiwesen in Schleswig-Holstein, wie es im Wesentlichen bis 1995 bestand, gehört zu den Systemen, die in dieser Form ‚erklärt‘, aber nicht wirklich nachvollziehbar begründet werden können. Es war ein einziger Wirrwarr mit unklaren Zuständigkeiten, sich überschneidenden Kompetenzen und – jedenfalls vor der berechtigten Erwartung annähernd gleicher kultureller Infrastrukturbedingungen in allen Teilen eines Landes – großen Ungerechtigkeiten.

Einer, der die Situation des schleswig-holsteinischen Büchereiwesens seit 1981 genau kennt und dessen Neuordnung an maßgeblicher Stelle (mit)gestaltet hat, geht demnächst in den Ruhestand. Der Verfasser dieses Beitrags kam 1991 mit dem ‚Blick von außen‘ nach Schleswig-Holstein und schildert im folgenden seine ersten Eindrücke aus seiner persönlichen Perspektive. Ich übernahm in diesem Jahr die Leitung der Kulturabteilung im Bildungsministerium des Landes und hatte bis dahin das Kulturamt in Bochum, einer mittleren Großstadt im Revier, geführt. Diesem Amt war – neben einer Reihe anderer Kulturinstitute vom  Stadtarchiv über das Symphonieorchester bis zum Planetarium – auch die Stadtbücherei zugeordnet, eine personalintensive Einrichtung mit sechs Bezirksbüchereien und weiteren Zweigstellen. Sie wurde – mit einem Zuschussbedarf in Millionenhöhe – selbstverständlich von der Stadt unterhalten. Landeszuschüsse gab es allenfalls in bescheidenem Umfang für den Auf- und Ausbau von Sondersammelgebieten.

weiterlesen oder Print-Ausgabe bestellen

 


Dr. Rolf-Peter Carl
Leiter der Kulturabteilung des Landes Schleswig-Holstein zwischen 1991 und 2006.

Foto: c Mau