Montag, 27. März 2023

Tourismus und Flächenverbrauch

ThemaTourismus und Flächenverbrauch

Ferienwohnungen in Bestlage, Infrastruktur, aber auch Lebensmittelproduktion, Abfalldeponien und Abwasserwerke. Als einer der bedeutendsten Wirtschaftsbereiche des Landes trägt auch der Tourismus direkt und indirekt zum Flächenverbrauch bei.

Die Anzahl touristischer Übernachtungen in Schleswig-Holstein kann in den letzten zehn Jahren einen Zuwachs von fast 50 Prozent verzeichnen und es ist davon auszugehen, dass dieser Trend trotz Coronadelle anhalten wird. Mit einem Anteil von fast acht Prozent an der gesamtwirtschaftlichen Leistung Schleswig-Holsteins zählt der Tourismussektor zu den bedeutendsten Wirtschaftsbereichen des Bundeslandes. Zu den touristisch am intensivsten genutzten Kreisen zählen Schleswig-Flensburg, Ostholstein und Lübeck. Nicht nur dort trägt der Tourismus zu einem wesentlichen Teil zum Flächenverbrauch bei.
Unterschieden werden kann der Flächenverbrauch durch Tourismus und Erholungszwecke in einen offensichtlichen – direkten – und in einen auf den ersten Blick unsichtbaren – indirekten – Flächenverbrauch. Flughäfen, Straßen, Unterkünfte, Freizeitattraktionen oder Parkplätze erkennt man direkt als „verbrauchte“ Flächen. Lebensmittelproduktion, Abfalldeponien, Abwasserwerke, Industrie für Ausstattung – alles Beispiele für indirekten Flächenverbrauch – zählt man oft nicht bewusst dazu. Dabei ist gerade der unbemerkte Anteil jener Anteil, der mehr Fläche in Anspruch nimmt.
Je nach Unterbringungsart wird pro Übernachtungsmöglichkeit eine unterschiedlich große Fläche in Anspruch genommen. Gäste- oder Hotelzimmer beanspruchen mit 20m2 bis 40m2 pro Übernachtungsmöglichkeit deutlich weniger Grundfläche als zum Beispiel Ferienhäuser mit bis zu 200m2 benötigter Fläche. Wie viel Fläche in Schleswig-Holstein genau durch den Tourismus belegt wird, ist jedoch nicht bekannt: „In der Statistik werden spezielle Nutzungsarten – wie eine Gebäudenutzung für touristische Zwecke – nicht bei der Erfassung der Siedlungs- und Verkehrsfläche erhoben“, heißt es aus dem Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein (MILIG). Nach Auskunft des MILIG werden zusätzlich vor allem die Gemeinden in der Verantwortung gesehen, die Flächeninanspruchnahme durch Tourismus zu beobachten: „[…] Bei der Anwendung des wohnbaulichen Entwicklungsrahmens verlassen wir uns auf Einschätzungen der Gemeinde […]“.
Besonders flächenintensiv ist die Kategorie der Parahotellerie – Ferien- und Zweitwohnungen –, da diese meist in Vorzugslagen gebaut werden. Diese Lagen sind nicht nur optisch ansprechend, sondern oft auch von hohem Naturwert. Auf den Inseln des Schleswig-Holsteinischen Wattenmeeres wurden schon zur Jahrtausendwende rund 50 Prozent der Häuser und Wohnungen für touristische Beherbergungen genutzt. Dies führt neben großen Anteilen versiegelter Fläche zu erhöhten Immobilienpreisen und oft zur Verdrängung der heimischen Bevölkerung. Zwischen 2018 und 2020 stieg der ohnehin hohe Quadratmeterpreis auf den Inseln um bis zu 50 Prozent – trotzdem bleibt die Nachfrage ungebrochen hoch.
Durch den Bau von touristischen Infrastruktureinrichtungen in landschaftlich ansprechenden und ökologisch sensiblen Gebieten, kann selbst ein geringer Flächenverbrauch gravierende negative Auswirkungen haben. Eine intakte Umwelt ist gerade in Schleswig-Holstein DER entscheidende Standortfaktor für den Tourismus. Die Nachfrage nach naturnahen Urlaubs- und Freizeitmöglichkeiten wird in Zukunft nur noch zunehmen. Fast 80 Prozent der Tourist:innen in Schleswig-Holstein wollen Natur erleben (Tourismusverband Schleswig-Holstein, Reiseanalyse 2019).
Entsprechend hat der Erhalt der Naturlandschaft auch für die Tourismusbranche eine besondere Bedeutung.
Im Sinne eines nachhaltigen Tourismus, bei dem die Aktivitäten in einem Urlaubsgebiet nach der Tragekapazität der Natur ausgerichtet sind und die Nutzung aller Ressourcen möglichst sparsam ist, sollte auch die Kultur und das alltägliche Leben der Einheimischen berücksichtigt und Tourist:innen für die Situation in der Region sensibilisiert werden. Dazu gehört auch die Nutzung bereits bestehender Gebäude sowie Verzicht auf weiteren Neubau, um so zu einer Flächenschonung beizutragen.

Merlin Michaelis

Der Leitfaden zum Thema findet sich unter: https://bund-sh.de/leitfaden-flaechenverbrauch

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