Geflüchtete nach dem Zweiten Weltkrieg in Nordschleswig

Diese Theaterfiguren entstanden offenbar in einem Flüchtlingslager in Sonderburg
Foto: © Marco Freitag // www.marco-freitag.de

Im Deutschen Museum Nordschleswig finden sich auch drei Theaterfiguren. Die Geschichte dieser Exponate ist verknüpft mit der Geschichte der Geflüchteten nach dem Zweiten Weltkrieg in Nordschleswig: Am 9. April 1940 wurde Dänemark durch deutsche Truppen besetzt. Die Befreiung erfolgte fünf Jahre später, am 5. Mai 1945. Am Tage der Befreiung befanden sich etwa 240.000 deutsche Geflüchtete in Dänemark. Eingesetzt hatte die Flucht nach Dänemark aber schon Ende Januar, Anfang Februar. Am 12. Februar 1945 kamen die ersten deutschen Flüchtlinge auch nach Nordschleswig. Bei Kriegsende waren es wohl an die 23.000 Geflüchtete.

Organisiert wurde die Verteilung und Unterbringung durch die extra eingerichtete Flüchtlingszentralstelle. Diese unterstand dem in Dänemark verantwortlichen Reichsbevollmächtigten Dr. Werner Best. Unterstützt wurde die Arbeit durch die Außenstellen des Reichsbevollmächtigten, die über Dänemark verteilt lagen. Dies galt im Grunde genommen auch für Nordschleswig. Auch hier hatte die Außenstelle des Reichsbevollmächtigten die übergeordnete Verantwortung. Die praktische Arbeit wurde aber vom Volksgruppenamt der deutschen Minderheit, in Zusammenarbeit mit der Wehrmacht, übernommen. Das Volksgruppenamt in Apenrade/Aabenraa war, in der Zeit des Nationalsozialismus, der zentrale Verwaltungssitz der deutschen Minderheit.

Als die ersten Flüchtlinge im Februar 1945 nach Nordschleswig kamen, stand es außer Frage, dass es nicht gelingen würde, alle privat unterzubringen. Zu diesem Zeitpunkt standen die Lager der Kinder-Land-Verschickung leer. Diese konnten also ohne größeren Aufwand mit einbezogen werden. Aber auch die Beschlagnahmung von Gebäuden, egal ob von Minderheit und Mehrheit, wurde schnell in Betracht gezogen. Trotzdem gelang es der deutschen Minderheit, einen großen Teil der Flüchtlinge privat einzuquartieren. Eine Zählung vom 22. März 1945 ergab, dass von den – zu dem Zeitpunkt ca. 15.300 Flüchtlingen in Nordschleswig – etwa 9.000 privat untergekommen waren.

Die erfolgreiche Unterbringung war vor allem dem Wohlfahrtsdienst Nordschleswig, einer sozialen Einrichtung der deutschen Minderheit, zu verdanken. Dieser war schon 1928 gegründet worden. Zu seinen Aufgabenbereichen gehörten unter anderem die Pflege von Kranken und die Unterstützung von hilfsbedürftigen Familien. Wie auch andere Vereine und Verbände, musste sich auch der Wohlfahrtsdienst Nordschleswig in den 1930er Jahren in die nationalsozialistischen Strukturen der deutschen Minderheit eingliedern. Mit Februar 1945 übertrug dann das Volksgruppenamt der deutschen Minderheit die praktische Organisation der Flüchtlingsunterbringung, an den Wohlfahrtsdienst Nordschleswig. Da der Flüchtlingsstrom nicht abreißen wollte, war es unrealistisch, die meisten Flüchtlinge privat einzuquartieren. Deswegen wurden zusätzlich Lager eingerichtet, in denen Geflüchtete untergebracht wurden. Dies konnten konfiszierte Gastwirtschaften, Jugendherbergen, Hotels und dänische wie deutsche Schulgebäude sein. Insgesamt wurden so über 200 Lager in Nordschleswig eingerichtet.

Die auf dem Foto gezeigten Figuren eines Kasperletheaters stammen aus dem Haus Adalbert in Sonderburg. Hergestellt wurden die Köpfe der Figuren aus Pappmaschee. Nach der Trocknung wurden die Köpfe dann bemalt. An den Seiten und im inneren der Köpfe ist noch zu erkennen, dass es sich um Zeitungspapier handelt. Das Haus Adalbert gehörte dem Deutschen Bürgerverein Sonderburg und wurde, vor und nach dem 2. Weltkrieg, als Versammlungshaus der deutschen Minderheit in Sonderburg genutzt. Schon während des Krieges wurde es als Unterkunft für Geflüchtete gebraucht. Eine Zählung vom 11. Juni 1945 ergab, dass zu diesem Zeitpunkt 141 Erwachsene und 29 Kinder im Haus Adalbert untergebracht waren. Dies auf nicht einmal 400 Quadratmetern.

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Hauke Grella,
Leiter der Deutschen Museen Nordschleswig