Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hütete Bernd Muhlack (1937-2020) jahrzehntelang eine der letzten großen privaten Afrikasammlungen Deutschlands in seiner Wohnung unweit des Kieler Hauptbahnhofes. Mit seinem überraschenden Tod gingen diese 3.655 Masken, Skulpturen, Waffen, Textilien und Gemälde in den Bestand der Lübecker Völkerkundesammlung über und können daher einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Um diese bedeutende Schenkung angemessen zu würdigen, präsentieren die Lübecker Museen in diesem Jahr Highlights dieser Sammlung in gleich drei Sonderausstellungen mit unterschiedlichen Themen. Bis Juli waren „Macht und Magie: Tiere in den afrikanischen Kulturen“ im Museum für Natur und Umwelt und „Heilige Zeichen – Brisante Objekte: Religiöse Vielfalt“ im St. Annen-Museum zu sehen. Eine dritte Ausstellung „Afrika und Lübeck – eine Spurensuche“ eröffnet am 3. September in der Geschichtswerkstatt Herrenwyk.
Dass dieser bedeutende Nachlass den bis dahin mit 27.000 Objekten eher überschaubaren Bestand der Völkerkundesammlung bereichert, ist ein großer Glücksfall, bedeutet aber auch erhebliche Herausforderungen. Denn auch wenn die Sammlung Muhlack erst seit den 1960er Jahren zusammengetragen wurde und sich somit klar von dem viel diskutierten Raubgut aus der deutschen Kolonialzeit unterscheidet, gilt es die Herkunft und die Bedeutung dieser Stücke sowie die Frage, ob diese heute noch eine spirituelle Bedeutung für die Herkunftsgemeinschaften haben, genau zu prüfen. Die Sammlung bietet also Potenzial für Jahrzehnte der gemeinsamen Forschungsarbeit mit Universitäten und Museen in Afrika. Sie eröffnet aber auch für das Lübecker Ausstellungsprogramm ganz neue Möglichkeiten, etwa durch eine Verbindung alter und neuer Exponate oder durch einen Blick über den Tellerrand des Fachgebietes der verschiedenen Museen. So werden im Museum für Natur und Umwelt Tierfiguren und Tiermasken aus der Sammlung Muhlack mit aktuellen ökologischen Problemfeldern rund um den afrikanischen Kontinent verknüpft. Das St. Annen-Museum mit seiner Dauerausstellung mittelalterlicher Kirchenkunst bietet hingegen einen würdigen Raum für kulturvergleichende Betrachtungen von Ahnenmasken, Nagelfetischen und Voodoo-Gottheiten. Zudem wurde die Dauerausstellung des St. Annen-Museums mit neuen Beschriftungen ergänzt, welche die vielfältigen, bis in das Mittelalter zurückreichenden Verflechtungen lübeckisch-afrikanischer Geschichte sichtbar machen.
Last but not least bietet dieser Afrika-Zyklus auch Chancen für die Aufarbeitung der Lübecker Kolonialgeschichte und für Experimente mit einer neuen Art partizipativer Forschungs- und Ausstellungsarbeit. So wurde die Online-Plattform www.afrika-in-luebeck.de ins Leben gerufen, auf der die Lübecker Museen zusammen mit interessierten Bürger:innen (mit und ohne Migrationshintergrund) Geschichte und Geschichten rund um die lübeckisch-afrikanischen Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart sammeln. Weiterhin sollen die Museumsgäste zu einer künstlerischen Auseinandersetzung mit den Exponaten angeregt werden und über kritische Themen diskutieren, etwa was die Frage der Rückgabe von Raubgut nach Afrika angeht oder wie die dunkleren Kapitel unserer Geschichte von Rassismus und Kolonialismus zukünftig ausgestellt werden sollten. Besonders innovative Beiträge von Schüler:innen und Studierenden werden durch ein Preisausschreiben gefördert.
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Dr. Lars Frühsorge