Der Blick auf 40 Jahre Geschichte der Theaterwerkstatt Pilkentafel kann viele unterschiedliche Perspektiven einnehmen und bringt unzählige Geschichten zutage. Eine Laudatio.
Wir feiern das 40-jährige Bestehen der Theaterwerkstatt Pilkentafel. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Dieses Jubiläum wurde hart erkämpft. Und so könnte ich vor allem die Geschichte eines kulturpolitischen Kampfes erzählen.
Ich könnte erzählen, wie Elisabeth Bohde, die dieses Haus als Künstlerische Leitung seit den 1980er Jahren prägt, mit Anfang Zwanzig hochschwanger nach einem Studium in Frankreich zurück nach Flensburg kam und hier im Vorderhaus begann, Workshops zu geben.
Wie internationale Einflüsse und das Ringen um ein anderes, besseres Leben für Alle bald dazu führten, dass die ,Werkstatt für Theaterspiel und Körpersprache’ zu klein wurde und Elisabeth wie auch andere Theatermacher:innen dieser Zeit begann, ein anderes, neues Theater zu erfinden, das die deutschsprachige Theaterlandschaft revolutionieren sollte.
Dr. Henning Fülle schrieb in Theater der Zeit: „Ihre Gründer:innen, geboren in den 50er Jahren, waren Teil jener Bewegung, die anders leben und anders arbeiten wollte und mit der Umsetzung ihrer beispielgebenden Ideen gleich auch die ganze Gesellschaft umkrempelten.
Als Selbstermächtigung beschreibt auch Elisabeth Bohde die Gründung ihrer Theaterwerkstatt Pilkentafel Anfang der 1980er Jahre. Solche Selbstermächtigungen waren alles andere als bloße Willensakte. Die Protagonist:innen erwarben ihre professionellen Qualifikationen im Raum der internationalen Theatererneuerung, wie sie in ganz Europa (außer in Deutschland) nach dem Zweiten Weltkrieg aufblühte.“
In dieser Variante der Geschichte würde ich von vielen Briefwechseln zwischen der Theaterwerkstatt Pilkentafel und der Stadt Flensburg erzählen, davon berichten wie Elisabeth auf eine erste Förderzusage über 1.500 Mark für Requisiten reagierte und auf das Schreiben der Stadt, das mit „Wir freuen uns sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass …“ entgegnete: „Da freuen Sie sich aber alleine“.
Ich könnte die Geschichte einer jungen Frau erzählen, die gegen alle Widerstände und von diesen angespornt einer von Männern dominierten Kulturpolitik und Stadttheaterstruktur die Stirn bot, gemeinsam mit Verbündeten Orte besetzte, auch mal bei öffentlichen Veranstaltungen auf einen Stuhl stieg, um sich Gehör zu verschaffen und nicht müde wurde, tragfähige Strukturen einzufordern und selber zu schaffen. Die kein Experiment, keine Auseinandersetzung und keine Baustelle scheute und dafür – natürlich nicht alleine – schließlich mit dem Theaterpreis des Bundes belohnt wurde. Diesen Preis würde ich hier aber nur erwähnen, weil manch einer munkelt, dass es erst dieser Preis war, der die Flensburger Politik begreifen ließ, wie wichtig und wertvoll dieses Theater ist.
Elisabeth hat, als die Theaterwerkstatt Pilkentafel nach ihren Produktionen ,Westliche Höhe’ und ,Trümmerfeld Erinnerung’ 2009 den Kulturpreis der Stadt Flensburg erhielt, in einer Rede dazu Folgendes gesagt: „Am Anfang waren wir dem Rathaus, glaube ich, vor allem lästig. Mit der ersten finanziellen Zusage wurde mir deutlich gesagt, dass das nun wirklich mein Problem sei, dass ich Theater machen wolle, und dass ich mir nicht einbilden solle, das könne je professionell betrieben werden und vor allem ließe sich daraus kein Anspruch gegenüber der Stadt ableiten. Nun, dass wir es professionell betrieben, konnte niemand verhindern.“
Der Text basiert auf Anne Schneiders Rede anlässlich der Feier zum 40. Jubiläum der Theaterwerkstatt Pilkentafel am 13. September 2023 in Flensburg.