Samstag, 20. April 2024

Der Bildreporter als Bindeglied

Der Fotograf Holger Rüdel

KulturzeitschriftDer Fotograf Holger Rüdel

Seine Bildreportage „Zeitenwende“ (2021) dokumentiert die Lebens- und Arbeitswelt der letzten Fischer auf dem Schleswiger Holm. Aktuell begleitet er die wenigen verbleibenden Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein mit seiner Kamera. Mit seiner unverwechselbaren Bildsprache setzt der Fotograf Holger Rüdel diesen bedrohten Berufen ein ästhetisches Denkmal. Dabei lenkt er die Aufmerksamkeit auch auf das fragile Verhältnis des Menschen zur Natur. Ein Gespräch über die Schule des Sehens und den entscheidenden Augenblick, über Vertrauen, Wirklichkeit und Wahrheit.

Lieber Herr Rüdel, was bedeutet die Fotografie für Sie?
Die Fotografie war für mich immer eine Schule des Sehens. Ich bin mit der Fotografie groß geworden. Mit 16 hatte ich eine eigene Dunkelkammer und habe für eine Schüler- und Studentenzeitung fotografiert. Später habe ich dann in Hamburg unter anderem Bildjournalismus studiert. In meinem Berufsleben als langjähriger Leiter des Kulturamtes der Stadt Schleswig hatte ich das Glück, als Direktor des Stadtmuseums auch als Kurator für Fotoausstellungen tätig zu sein und habe dabei viele großartige Fotografen kennen lernen dürfen. Nun bin ich seit sechs Jahren im Ruhestand und zu dem zurückgekehrt, was ich ursprünglich einmal machen wollte: Ich fotografiere selbst professionell als Freelancer, mache Fotoreportagen und schreibe im Blog auf meiner Internetseite über Fotografie.

Im Laufe dieser Zeit hat die Fotografie selbst einen grundlegenden Wandel durchgemacht – insbesondere durch die Digitalisierung …
Als ich mit dem Fotografieren begann, war die Fotografie selbstverständlich noch analog. Die Filmentwicklung war teuer, ebenso die Filme selbst – und sie erlaubten maximal 36 Aufnahmen. Da überlegst Du Dir schon genau, wann du auf den Auslöser drückst. Insbesondere natürlich bei Berichterstattungen oder Bildreportagen. In meiner Studienzeit war ich als Akteur und Beobachter involviert in die damaligen Studentenproteste. Das Geschehen einer Demonstration sinnvoll abzubilden, erforderte höchste Konzentration sowie räumliches und inhaltliches Verständnis für die Situation. Wenn Du eine zweite Kamera dabeihast, hast Du immerhin 72 Aufnahmen, doch dann ist Schluss: Der Wechsel des Films kostet wertvolle Sekunden, in denen man den entscheidenden Moment verpassen kann. Lange Rede, kurzer Sinn: Du achtest sehr genau darauf, wann und wie Du ein Foto machst. Mit der Revolution, die die Digitalisierung für die Fotografie bedeutete, wurde das weniger wichtig. Ein Druck auf den Auslöser bedeutet heute nichts mehr. In einem Blogbeitrag für meine Website habe ich mich gerade mit einer passenden Innovation beschäftigt: Für sein Spitzenmodell hat Nikon gerade ein Firmware-Update herausgebracht, mit dem man sage und schreibe 60 Bilder pro Sekunde auslösen kann. Solche Fortschritte sind zweifelsohne gigantisch und eröffnen ganz neue Möglichkeiten. Für den Menschen hinter der Kamera – ob Laie oder Profi – bergen sie jedoch auch die Versuchung, einfach draufzuhalten, anstatt den „entscheidenden Augenblick” abzuwarten, wie es Henri Cartier-Bresson, der Altmeister der Bildreportage, nannte.

Mehr von Holger Rüdel finden Sie auf seiner Internetseite:
www.holger-ruedel.de

Foto: © Henrik Matzen

Das Gespräch führte Kristof Warda

Weiterlesen ...?

Um den gesamten Artikel lesen zu können, buchen Sie bitte unser monatlich kündbares Online-Abo oder bestellen Sie die Print-Ausgabe in unserem Kiosk.

Schon gewusst?

Auch als Print-Abonnent*in der Kulturzeitschrift Schleswig-Holstein erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln auf unserer Internetseite. Sie sind Abonnent*in und haben noch keinen Online-Zugang? Dann senden Sie uns eine Mail mit Ihrer Abo-Nummer an info@schleswig-holstein.sh und wir richten es Ihnen ein.

 

Weitere Artikel

Editorial Ausgabe Winter/Frühjahr 23

Chefredakteur Kristof Warda stellt die Ausgabe Winter/Frühjahr 2023 vor.

50 Jahre künstlerische Fotografie: Renée Pötzscher

Renée Pötzscher gehört zu den bedeutenden Fotokünstlerinnen. Ihr komplexes Oeuvre ragt hervor. Als gelernte Fotografin und Absolventin der Hochschule für Bildende Künste Hamburg beherrscht sie fotografische Techniken meisterhaft, insbesondere die o h n e Kamera, die sie unorthodox an ihre Grenzen treibt und dabei innovativ in neue künstlerische Welten und fotografische Ausdrucksfelder vorstößt. Dabei lässt sie methodisch gezielt Experimentelles und den kalkulierten Zufall zu. Ein charakteristisches Merkmal ist der intensive gestalterische Prozess. So entstand seit 1973 konsequent ein eigenständiges Werk, das anhand einiger Beispiele im folgenden Artikel vorgestellt werden soll.

Brücken bauen mit aktueller Klangkunst: Frequenz_ in Kiel

Es ist vielleicht das Gegenteil von l’art pour l’art und trotzdem alles andere als instrumentalisierte Kunst: Hochwertige Produktionen, in denen die Grenzen zwischen Kunstarten oder zwischen Kunstwerk und Publikum verschwimmen. Die Vorstandsmitglieder von „Frequenz_“ möchten in Kiel zeitgenössische Werke präsentieren, die alle erreichen, und zwar metaphorisch ebenso wie buchstäblich – eingebunden in die Szenerie der Landeshauptstadt. Sherif El Razzaz, Annegret Rehse und Tarek Krohn wollen mit ihrem Projekt für Klangkunst begeistern und die neue Künstler:innen-Generation nach Kiel holen.

Artikel aus den letzten Ausgaben

Editorial

Chefredakteur Kristof Warda stellt die Ausgabe Winter/Frühjahr 2024 vor.

Das Unfassbare haptisch machen. Die Regisseurin Marie Schwesinger

Sie recherchiert in Archiven und Gerichtssälen, spürt Zeitzeugen auf und vereint Stückentwicklung mit klassischer...

Das Dokumentartheaterstück „LebensWert“ am Theater Kiel

LebensWert ist ein auf einer mehrmonatigen, aufwändigen Recherchearbeit basierendes Dokumentartheaterstück, das sich einem dunklen Kapitel der Kieler und schleswig-holsteinischen Vergangenheit widmet: der NS-Euthanasie und vor allem ihrer gar nicht oder nur schleppend erfolgten Aufarbeitung.

Die Welt umarmen. Die Designerin Nanna Ditzel

Befreit in Gedanken und Taten: Nanna Ditzel hatte einen scharfsinnigen Blick für die Konventionen und Lebensstile ihrer Zeit und machte sich daran, sie zu verändern. Sie tat dies mit Farben, Formen, Möbeln und Design, die unsere etablierten Vorstellungen davon, wie Dinge auszusehen haben, wie sie benutzt werden und zu erleben sind, liebevoll auf die Probe stellen und erweitern. Nanna Ditzel übernimmt selbst die Führung – von Anfang bis Ende.

Heimat – eine Suche

Im Juni 2023 hat sich die neonazistische NPD umbenannt – in: Die Heimat. Aber auch andere verfassungsfeindliche Parteien und Gruppierungen wie die sogenannte identitäre Bewegung reklamieren den Heimatbegriff für sich und geben vor, genau zu wissen, was damit gemeint ist und wer dazugehört – vor allem aber: wer und was nicht dazugehört.

Wo öffnet sich die Welt? Der Autor Ralf Rothmann

„Der Weizen war fast reif, der Himmel blau, die Schwalben flogen in großer Höhe....

„… die Sprache der Poesie.“

Kirchen und Kapellen sind in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit so sehr Objekte des geistlichen Auftrags, den sie verkörpern, dass sie als Kunstwerke, als monumentale Kunst im öffentlichen Raum fast nicht wahrgenommen werden. Die Religionsgemeinschaften tun nur wenig, auch diese Seite, diese besondere Qualität des ihnen gehörenden Schatzes hervorzuheben. Er verdient es aber.

Walter Auerbach und die Anfänge des christlich-jüdischen Dialogs nach 1945

Der Name Walter Auerbach wird mitunter in der kirchlichen Zeitgeschichtsschreibung genannt. Er war der einzige „volljüdische” Pastor der schleswig-holsteinischen Landeskirche. Die Begrifflichkeit ist NS-deutsch, eingeführt vom späteren braunen Fleck in Konrad Adenauers Regierungen, Hans Globke. Für den christlich-jüdischen Dialog der ersten Nachkriegszeit nahm Pastor Auerbach eine zentrale Rolle ein und an seiner Person lässt sich das Verhältnis der schleswig-holsteinischen Nachkriegskirche zum Judentum und ihr Umgang mit der eigenen jüngsten Vergangenheit sehr gut veranschaulichen.

Gud as ei gudenooch

Tu jodiar teesen, wat ik bit nü apsteld haa, hiart üüb arke faal uk...

Die Kulturzeitschrift abonnieren

Meistgelesen

Mahlzeit, Erstmal, Moin. Grüße in Nordfriesland und anderswo

Jeder kennt „Mahlzeit“ und „Moin“ als Gruß – zumindest in Norddeutschland; die Verabschiedung „Erstmal“ ist schon südlich von Eider und Nord-Ostsee-Kanal seltener. Wo kommen diese Grußformeln her und wie werden sie gebraucht? LANDRAT in...

Die Schule für Schauspiel in Kiel – private Berufsfachschule und kreativer Kulturort

Ob als freie Schauspieler, feste Ensemblemitglieder oder als Regisseure. Ihre Absolvent*innen bereichern die Theaterszene nicht nur in Kiel und im Land. Rolf Peter Carl stellt die einzige Schauspielschule in Schleswig-Holstein vor.

Die gängigsten Spechtarten in Schleswig-Holstein

Diese Spechtarten können Sie in den Wäldern Schleswig-Holsteins entdecken

Tanne – Abies

Welf-Gerrit Otto betrachtet die Tanne im Spiegel von Mythologie und Volksglaube - und zeigt, wie die Wildpflanze in der Küche verwendung finden kann ...

Gut Panker: Vom Rittersitz zur Gutsgemeinschaft

Panker heute – das ist eine Gemeinde im Landkreis Plön, Amt Lütjenburg, 22.76 qkm, etwa 1500 Einwohner. Das gewöhnliche gelbe Ortsschild lässt von einem „Gut“ Panker nichts erkennen, aber der interessierte Tourist stößt...

Heimat. Begriff und Gefühl – am Beispiel der Gebrüder Grimm

Der Begriff "Heimat", wie wir ihn heute benutzen, entwickelte sich erst in der Romantik, seit Ende des 18. Jahrhunderts.

Nachgelesen: Das bewegte Leben der Lotti Huber

Lotti Huber war eine Künstlerin. Sie war eine Lebenskünstlerin. In einschlägigen Artikeln wird sie als Schauspielerin, Sängerin, Tänzerin und avantgardistische Künstlerin bezeichnet. Übersetzerin und Schriftstellerin war sie auch. Martin Lätzel über das bewegte Leben der gebürtigen Kielerin.

(Un)bekannte Moderne: Die BEWOBAU-Siedlung von Richard Neutra in Quickborn

Die Architektur-wissenschaftler Barbara von Campe, Eva von Engelberg-Dockal und Johannes Warda sprechen über die BEWOBAU-Siedlung von Richard Neutra und die Moderne im Allgemeinen

Die aktuelle Ausgabe