Freitag, 26. April 2024

Glücksfall und Herausforderung für Lübeck: Die Afrikasammlung Muhlack

KulturzeitschriftGlücksfall und Herausforderung für Lübeck: Die Afrikasammlung Muhlack

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hütete Bernd Muhlack (1937-2020) jahrzehntelang eine der letzten großen privaten Afrikasammlungen Deutschlands in seiner Wohnung unweit des Kieler Hauptbahnhofes. Mit seinem überraschenden Tod gingen diese 3.655 Masken, Skulpturen, Waffen, Textilien und Gemälde in den Bestand der Lübecker Völkerkundesammlung über und können daher einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Um diese bedeutende Schenkung angemessen zu würdigen, präsentieren die Lübecker Museen in diesem Jahr Highlights dieser Sammlung in gleich drei Sonderausstellungen mit unterschiedlichen Themen. Bis Juli waren „Macht und Magie: Tiere in den afrikanischen Kulturen“ im Museum für Natur und Umwelt und „Heilige Zeichen – Brisante Objekte: Religiöse Vielfalt“ im St. Annen-Museum zu sehen. Eine dritte Ausstellung „Afrika und Lübeck – eine Spurensuche“ eröffnet am 3. September in der Geschichtswerkstatt Herrenwyk.

Dass dieser bedeutende Nachlass den bis dahin mit 27.000 Objekten eher überschaubaren Bestand der Völkerkundesammlung bereichert, ist ein großer Glücksfall, bedeutet aber auch erhebliche Herausforderungen. Denn auch wenn die Sammlung Muhlack erst seit den 1960er Jahren zusammengetragen wurde und sich somit klar von dem viel diskutierten Raubgut aus der deutschen Kolonialzeit unterscheidet, gilt es die Herkunft und die Bedeutung dieser Stücke sowie die Frage, ob diese heute noch eine spirituelle Bedeutung für die Herkunftsgemeinschaften haben, genau zu prüfen. Die Sammlung bietet also Potenzial für Jahrzehnte der gemeinsamen Forschungsarbeit mit Universitäten und Museen in Afrika. Sie eröffnet aber auch für das Lübecker Ausstellungsprogramm ganz neue Möglichkeiten, etwa durch eine Verbindung alter und neuer Exponate oder durch einen Blick über den Tellerrand des Fachgebietes der verschiedenen Museen. So werden im Museum für Natur und Umwelt Tierfiguren und Tiermasken aus der Sammlung Muhlack mit aktuellen ökologischen Problemfeldern rund um den afrikanischen Kontinent verknüpft. Das St. Annen-Museum mit seiner Dauerausstellung mittelalterlicher Kirchenkunst bietet hingegen einen würdigen Raum für kulturvergleichende Betrachtungen von Ahnenmasken, Nagelfetischen und Voodoo-Gottheiten. Zudem wurde die Dauerausstellung des St. Annen-Museums mit neuen Beschriftungen ergänzt, welche die vielfältigen, bis in das Mittelalter zurückreichenden Verflechtungen lübeckisch-afrikanischer Geschichte sichtbar machen.
Last but not least bietet dieser Afrika-Zyklus auch Chancen für die Aufarbeitung der Lübecker Kolonialgeschichte und für Experimente mit einer neuen Art partizipativer Forschungs- und Ausstellungsarbeit. So wurde die Online-Plattform www.afrika-in-luebeck.de ins Leben gerufen, auf der die Lübecker Museen zusammen mit interessierten Bürger:innen (mit und ohne Migrationshintergrund) Geschichte und Geschichten rund um die lübeckisch-afrikanischen Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart sammeln. Weiterhin sollen die Museumsgäste zu einer künstlerischen Auseinandersetzung mit den Exponaten angeregt werden und über kritische Themen diskutieren, etwa was die Frage der Rückgabe von Raubgut nach Afrika angeht oder wie die dunkleren Kapitel unserer Geschichte von Rassismus und Kolonialismus zukünftig ausgestellt werden sollten. Besonders innovative Beiträge von Schüler:innen und Studierenden werden durch ein Preisausschreiben gefördert.

Weiterlesen …?

Um den gesamten Artikel lesen zu können, buchen Sie bitte unser monatlich kündbares Online-Abo oder bestellen Sie die Print-Ausgabe.

Schon gewusst? Auch als Print-Abonnent*in der Kulturzeitschrift Schleswig-Holstein erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln auf unserer Internetseite. Sie sind Abonnent*in und haben noch keinen Online-Zugang? Dann senden Sie uns eine Mail mit Ihrer Abo-Nummer an info@schleswig-holstein.sh und wir richten es Ihnen ein.

Dr. Lars Frühsorge

Weitere Artikel

Grundlage für Diversität ist, Diskriminierung sichtbar zu machen

Mirrianne Mahn, Referentin für Diversitätsentwicklung des Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland, stellt klar, dass Diversität nicht erreicht werden kann, ohne den Blick auf Diskriminierung zu richten.

Das macht etwas mit mir … Perspektive aus dem Orchestergraben

Der Lüneburger Oboist und Aktivist Tsepo Bollwinkel appelliert an das Opernpublikum, die eigene Perspektive zu hinterfragen und den Narrativen der rassistischen Erzählung nicht mehr zu folgen.

Perspektivregion

Geschichte ist weder in Stein gemeißelt noch wird sie der Menschheit aus einem brennenden Dornbusch überliefert. Denn jede Generation schreibt ihre eigene Geschichte und legt deren Schwerpunkte und Perspektiven fest. Das Projekt PerspektivRegion möchte das Zusammenleben in der deutsch-dänischen Grenzregion neu denken und lädt dafür im September 2022 zum „Zukunftsparlament“ ein.

Miast auerhiard

auerhiard: überhörtwelkeeren: Fahrradfahrensai: sagenparlen: Perlenstak snaak: Gesprächsuragt: gesorgtuurdial: Urteilspriak: Sprache Wat jaft at beeders, üs onerwais tu weesen an lidj tu belukin an tu beluurin! An miast noch beeder as at, wan ham bi’t welkeeren för en kurten uugenblak ferstun...

Diese Ausgabe bestellen

Artikel aus den letzten Ausgaben

(M)eine Exkursion – Julia Möllers FÖJ-Blog

Über das Jahr verteilt habe ich an einigen Exkursionen teilgenommen. Ich erzähle Ihnen von den wichtigsten. 2. und 3....

Bunte Blumen und dicke Brummer – Impressionen von der Landesgartenschau

Bienen und bunte Blumen gehören unabdingbar zusammen. Ohne geeignete Nahrungspflanzen gibt es weniger Bienen, zu denen im Übrigen auch...

Sehnsucht und wieder Sehnsucht: Fanny zu Reventlow

Ein Leben zwischen Kunst und Tragik: Nach einem Zerwürfnis mit ihrer Familie wurde die in Husum geborene Fanny zu...

Martin Lätzels Ana[B]log: Revolution heute

1918 rebellierten in Kiel Arbeiter und Matrosen und gaben so den Auftakt zur Novemberrevolution. Was taugt es, sich heute noch an einen Aufstand von vor annähernd einhundert Jahren zu erinnern?

Die Deutschen Schulen in Dänemark nach dem 2. Weltkrieg

Der Nationalsozialismus fand große Zustimmung in der Deutschen Minderheit in Dänemark. Nach dem Krieg schloss Dänemark die Deutschen Schulen. Nur langsam entspannte sich die Lage

Peter Grisebach beendet seine zehnjährige Intendanz am Schleswig-Holsteinischen Landestheater

Er kam, das Landestheater mit allen Sparten vor der Zerschlagung zu bewahren „Geschafft!“, sagt er zehn Jahre später selbstbewusst. Zwischendurch war das alles andere als sicher: Peter Grisebach musste viele Herausforderungen meistern. Die Schließung des baufälligen Schleswiger Theaters war nur eine davon. Seine letzte Spielzeit in Schleswig-Holstein endet vorzeitig mit der coronabedingten Einstellung des Spielbetriebes. Rolf-Peter Carl blickt zurück auf die bewegte Ära Grisebach an der größten deutschen Landesbühne

Die Kulturzeitschrift abonnieren

Meistgelesen

Mahlzeit, Erstmal, Moin. Grüße in Nordfriesland und anderswo

Jeder kennt „Mahlzeit“ und „Moin“ als Gruß – zumindest in Norddeutschland; die Verabschiedung „Erstmal“ ist schon südlich von Eider und Nord-Ostsee-Kanal seltener. Wo kommen diese Grußformeln her und wie werden sie gebraucht? LANDRAT in...

Die Schule für Schauspiel in Kiel – private Berufsfachschule und kreativer Kulturort

Ob als freie Schauspieler, feste Ensemblemitglieder oder als Regisseure. Ihre Absolvent*innen bereichern die Theaterszene nicht nur in Kiel und im Land. Rolf Peter Carl stellt die einzige Schauspielschule in Schleswig-Holstein vor.

Die gängigsten Spechtarten in Schleswig-Holstein

Diese Spechtarten können Sie in den Wäldern Schleswig-Holsteins entdecken

Tanne – Abies

Welf-Gerrit Otto betrachtet die Tanne im Spiegel von Mythologie und Volksglaube - und zeigt, wie die Wildpflanze in der Küche verwendung finden kann ...

Gut Panker: Vom Rittersitz zur Gutsgemeinschaft

Panker heute – das ist eine Gemeinde im Landkreis Plön, Amt Lütjenburg, 22.76 qkm, etwa 1500 Einwohner. Das gewöhnliche gelbe Ortsschild lässt von einem „Gut“ Panker nichts erkennen, aber der interessierte Tourist stößt...

Heimat. Begriff und Gefühl – am Beispiel der Gebrüder Grimm

Der Begriff "Heimat", wie wir ihn heute benutzen, entwickelte sich erst in der Romantik, seit Ende des 18. Jahrhunderts.

Nachgelesen: Das bewegte Leben der Lotti Huber

Lotti Huber war eine Künstlerin. Sie war eine Lebenskünstlerin. In einschlägigen Artikeln wird sie als Schauspielerin, Sängerin, Tänzerin und avantgardistische Künstlerin bezeichnet. Übersetzerin und Schriftstellerin war sie auch. Martin Lätzel über das bewegte Leben der gebürtigen Kielerin.

(Un)bekannte Moderne: Die BEWOBAU-Siedlung von Richard Neutra in Quickborn

Die Architektur-wissenschaftler Barbara von Campe, Eva von Engelberg-Dockal und Johannes Warda sprechen über die BEWOBAU-Siedlung von Richard Neutra und die Moderne im Allgemeinen